Elfenblut
der Kerl draußen noch die Idee hatte, hereinzukommen. Laut sagte sie: »Uns erst einmal ein wenig umsehen. Und dann vielleicht einen Weg nach Hause finden.«
»Und wo genau ist dieses Zuhause?«, fragte Brack
Pia zögerte nur unmerklich. »Rio de Janeiro«, sagte sie. »Schon mal gehört?«
»Riodejanero?«, wiederholte Brack. »Ein eigenartiger Name. Nein. Ich würde mich daran erinnern, wenn ich ihn schon einmal gehört hätte. Es ist nicht in WeißWald, nehme ich an?«
»WeißWald?«
»Unser Land.« Brack machte eine ausholende Geste.
»WeißWald?«, fragte Pia noch einmal. Nun, das war für ihren Geschmack ein eigenartiger Name. »Und wie heißt diese Stadt?«
»WeißWald«, antwortete Brack. »Wie denn sonst?«
Pia seufzte. »Sollte ich überrascht sein, zu erfahren, dass dein Gasthaus auch WeißWald heißt?«
»So vermessen wäre ich nie«, antwortete Brack lächelnd. »Das hier ist der Weiße Eber. Du stellst eine Menge Fragen, Mädchen.«
»Gaylen«, verbesserte ihn Pia und starrte ihn gleich darauf verdutzt an. Sie hatte sich auf diese Antwort konzentriert und sich fest vorgenommen, Pia zu sagen, nicht Gaylen . Aber sie hatte Gaylen gesagt. »Nicht Mädchen.«
»Und ich dachte, du bist hier fremd«, antwortete Brack amüsiert. »Ein wenig scheinst du unsere Bräuche ja doch zu kennen.«
Pia versuchte erst gar nicht, diese Bemerkung zu verstehen, und Alica fragte: »Wer ist diese Gaylen, von der du immerzu sprichst?«
»Ich«, antwortete Pia. »Aber das ist eine lange Geschichte.«
»Also gut, Gaylen«, seufzte Brack. »Wenn du darauf bestehst … schade eigentlich. Ihr wollt also fort?«
Nein, eigentlich wollte sie das nicht. Wenn sie ehrlich war, hatte sie immer noch nicht die geringste Ahnung, wohin sie gehen sollten … und wie auch? Sie hatte ja ebenso wenig Ahnung, wo sie waren. Aber der Verfolger war da. Er hatte nicht zufällig in ihre Richtung geblickt. Er wusste, wo sie waren. »Wenn du uns lässt.«
»Wenn ich euch lasse? Warum sollte ich euch hindern wollen? Das hier ist ein freies Land. Hier kann jeder tun und lassen, was er will, und hingehen oder bleiben, wo er will.«
»Das klang vergangene Nacht etwas anders«, erwiderte Pia, aber Brack machte nur eine abfällige Geste.
»Das war gestern Nacht. Wenn die Wache euch aufgegriffen hätte, dann würdet ihr jetzt im Karzer liegen.« Er grinste anzüglich. »Oder auch nicht. Aber liegen würdet ihr.«
Pia überging die Bemerkung ganz bewusst. »Das heißt, jetzt können wir gehen?«
»Gehen?«, fragte Alica erschrocken. »Wohin?«
»So?« Brack deutete auf sie, dann auf Alica und ihre praktisch nicht vorhandenen Kleider. »Ihr würdet binnen einer Stunde erfrieren.«
Alica schob ihren geleerten Teller zurück, kramte Zigaretten und Feuerzeug hervor und steckte sich eines der weißen Stäbchen zwischen die Lippen. Brack folgte ihren Bewegungen mit gerunzelter Stirn und wachsendem Staunen, und was dann geschah, hatte Pia beinahe erwartet. Alica ließ das Zippo aufflammen, und Brack riss mit einem erstaunten Ächzen die Augen auf. Einer der beiden Männer am Nebentisch sprang so erschrocken hoch, dass sein Schemel umfiel, und der zweite verschluckte sich an seinem Essen und begann zu husten.
»Was?«, fragte Alica, während sie einen ersten, tiefen Zug nahm und dann genießerisch die Augen schloss.
»Was … tut deine Freundin da?«, fragte Brack fassungslos.
»Nichts«, antwortete Pia.
»Nichts? Nimm mich nicht auf den Arm, Mädchen!«
»Also gut, sie raucht«, sagte Pia. »Eine schlechte Angewohnheit, ich weiß. Tut mir leid, wenn der Gestank dich belästigt.«
»Wie bitte?«, fragte Alica.
Brack starrte sie und Pia abwechselnd an, schien etwas sagen zu wollen und schüttelte stattdessen nur den Kopf. Sein Blick irrte immer wieder zu dem mit Strasssteinchen besetzten Feuerzeug, das Alica vor sich auf die Tischplatte gelegt hatte, und schließlich streckte Pia die Hand aus, klappte den Deckel zurück und drehte das Zündrad. Bracks Augen wurden noch größer, als er die winzige gelbe Flamme auflodern sah.
»Bei Kronn!«, keuchte er. »Was ist das für ein Zauber?«
»Kein Zauber«, antwortete Pia. »Ein Feuerzeug.«
»Ein Feuer…zeug?«, wiederholte Brack gedehnt. So wie er das Wort aussprach, tat er es ganz bestimmt zum ersten Mal im Leben.
»He, das habe ich verstanden!«, sagte Alica. »Sag bloß, er hat noch nie ein Zippo gesehen!«
»Das hat nichts mit Zauberei zu tun«, fuhr Pia fort. »Da, wo wir herkommen,
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