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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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niedrig, dass jeder, der es zu Pferde durchschreiten wollte, absitzen musste, dafür aber sehr breit und so lang, dass es fast wie ein kleiner Tunnel wirkte. Ihre Schritte erzeugten lang nachhallende, beinahe schon unheimlich klingende Echos in dem steinernen Gewölbe, und Pias Unbehagen stieg noch mehr, als sie einen Blick nach oben warf und die in regelmäßigen Abständen angebrachten Löcher in der Decke sah, durch die man im Falle eines Angriffs kochendes Pech oder Öl auf mögliche Eindringlinge schütten konnte. Am anderen Ende des Tunnels wartete nicht nur ein äußerst massives, zweiflügeliges Tor, sondern auch ein aus fast handgelenkstarken eisernen Stäben gefertigtes Fallgatter. Wenn diese Stadt so friedlich war, fragte sie sich, warum war sie dann so hervorragend auf einen Angriff vorbereitet?
    Und woher wusste sie eigentlich all diese Details?
    Brack eilte auf dem letzten Stück wieder voraus, wechselte einige offensichtlich sehr erregte Worte mit einer zweiten Wache am anderen Ende des gemauerten Tunnels und gestikulierte ihnen dann zu, sich zu beeilen. Eingedenk dessen, was er gerade zu ihr gesagt hatte, zog Pia nicht nur die Kapuze weiter ins Gesicht, sondern senkte auch den Blick, als sie an der Wache vorbeigingen. Trotzdem konnte sie die Neugier und das Misstrauen des Mannes so deutlich spüren wie knisternde elektrische Spannung, die in der Luft lag.
    »So, weiter kann ich euch nicht begleiten«, sagte Brack, nachdem sie aus dem Tor heraus und ein paar Schritte weit gegangen waren; vermutlich nicht durch Zufall gerade weit genug, um aus der Hörweite der Wache zu sein. »Ich muss schließlich ein Geschäft führen. Wenn ich diese beiden Halunken allein lasse, dann stehlen sie mir wahrscheinlich noch das letzte Hemd.«
    Pia vermutete, dass Brack sein letztes und zugleich einziges Hemd auf dem Leib trug, und das seit mindestens zehn Jahren und ununterbrochen. »Das reicht auch«, sagte sie. »In welche Richtung müssen wir gehen, um …« Ja, wohin eigentlich zu kommen?
    Alicas zornsprühender Blick formulierte ganz genau dieselbe Frage, und das Bild, das sich ihnen außerhalb der Stadtmauer bot, verlieh ihr noch dazu eine ganz besonders perfide Note. Pia konnte selbst nicht sagen, was sie erwartet hatte – eigentlich nichts –, aber der Anblick war durch und durch deprimierend.
    Die Stadt erhob sich auf einer sanften Anhöhe, und das Gelände fiel in alle Richtungen leicht ab. Vielleicht einen oder anderthalb Kilometer entfernt begann ein Wald, dessen Bäume selbst aus der Entfernung betrachtet sonderbar gedrungen wirkten, fast verkrüppelt. Auf dem Weg dorthin wuchsen nur vereinzelte dürre Büsche, und es gab keinen Stein, der größer als ein Fußball gewesen wäre. Anscheinend hatte man das Gelände sorgsam gerodet, um in alle Richtungen freie Sicht zu haben.
    »Verrätst du mir jetzt vielleicht, wohin wir eigentlich gehen?«, sagte Alica. »Und warum wir überhaupt gehen?«
    »Ich dachte, du willst nach Hause?«, fragte Pia.
    »Aber doch nicht zu Fuß!«, jammerte Alica.
    »Und du weißt nicht genau, wie ihr dorthin kommt«, vermutete Brack.
    Pia hob die Schultern. Die Vorstellung, allein und noch dazu bei diesen Temperaturen loszumarschieren – und tatsächlich ohne die geringste Ahnung, wohin überhaupt –, jagte ihr zwar einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken, aber welche Wahl hatten sie schon? In der Stadt konnten sie nicht bleiben. Nicht, solange dieser Bursche hinter ihnen her war. Vielleicht hätte sie ihn doch erschießen sollen. Sie hob unglücklich die Schultern.
    »Dann überlass es einfach deinen Schuhen«, sagte Brack lächelnd. »Die wissen den Weg schon.«
    »Ja, sehr komisch«, murmelte Pia, vorsichtshalber aber so leise, dass nicht einmal Brack die Worte verstand. Er sah sie noch einen Herzschlag lang an, als sei er nicht nur ganz sicher, dass sie noch etwas sagen wollte, sondern auch was, hob dann aber nur die Schultern und ging ohne ein weiteres Wort. Pia sah ihm nach, bis er in den Schatten des Torbogens verschwand, doch sie sah auch die zweite, hochgewachsene Gestalt, die sich ihm aus der Stadt heraus näherte, und schrak so heftig zusammen, dass es Alica nicht entging.
    »Was hast du?«, fragte sie alarmiert.
    Pia hob hastig die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und sah der Gestalt mit klopfendem Herzen entgegen. Sie kam rasch näher, blieb dann jedoch stehen und begann mit dem Posten zu sprechen, und Pia erkannte ihren Irrtum. Es war nicht ihr

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