Elfenblut
bequem.
Dennoch war auch sie vollkommen außer Atem, als sie die ersten Bäume erreichten. Pia ging noch ein paar Schritte weiter, bis sie im Sichtschutz der Bäume waren, dann lehnte sie sich erschöpft gegen einen vereisten Stamm und schloss für einen Moment die Augen. Das einzige Geräusch, das sie hörte, waren Alicas keuchende Atemzüge, und zwischen den Baumstämmen schien es kälter zu sein als draußen auf der Ebene. Aber wenigstens waren sie aus dem Wind heraus.
Nach einer Weile zwang sie sich, die Augen zu öffnen und zur Stadt zurückzusehen. Ihr Mut sank. Sie hatten kaum einen Kilometer zurückgelegt – bergab! –, und Pia war jetzt schon vollkommen erschöpft und halb erfroren. Wie sich Alica fühlte, das wagte sie erst gar nicht zu fragen.
Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, sagte Alica in weinerlichem Ton: »Und du bist wirklich sicher, dass das eine gute Idee war?«
Nein, ganz und gar nicht. Pia antwortete nicht, sondern ging die wenigen Schritte zum Waldrand zurück und wurde mit dem Anblick einer hochgewachsenen, in einen dunklen Kapuzenmantel gehüllten Gestalt belohnt, die ganz genau in diesem Augenblick aus dem Tor trat. So viel zu ihrer Idee, den Kerl abschütteln zu können, indem sie die Stadt verließen.
»O verdammt«, murmelte Alica neben ihr. Pia hatte nicht einmal gemerkt, dass sie ihr gefolgt war. »Du hast recht. Das ist der Kerl!«
Und nicht nur das, dachte Pia. Es war nicht nur der Kerl, er wusste auch ganz genau, wo sie waren. Sie befand sich viel zu weit entfernt, um mehr als Schatten unter seiner Kapuze zu erkennen, aber sie spürte seinen Blick wie die Berührung einer unangenehm warmen, trockenen Hand. Da war etwas Gieriges. Die absolute Entschlossenheit, sie einzuholen.
»Los!«, sagte sie. »Weiter!«
Kälte und Müdigkeit waren vergessen. Pia fuhr herum und stürmte los, so schnell es zwischen den dicht stehenden Bäumen überhaupt möglich war, und etwas sehr Seltsames geschah: Auf den ersten Schritten kostete es sie fast all ihre Kraft, auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Alles in ihr sträubte sich dagegen, tiefer in diesen finsteren Wald hineinzugehen, auch wenn sie noch so sicher war, dass auf der anderen Seite der Tod auf sie wartete.
Irgendwie gelang es ihr, diesen irrationalen Gedanken abzuschütteln und sich wieder ganz darauf zu konzentrieren, einen Weg zwischen den eng beieinanderstehenden Baumstämmen hindurch zu finden; was sich als gar nicht so einfach erwies. Es gab so gut wie kein Unterholz, und der Boden war hier weitaus ebener als draußen auf dem Hang, aber die Bäume traten immer dichter zusammen, und auch die Äste hingen bald so tief, dass sie sich immer öfter unter ihnen hindurchducken mussten. Trotzdem rannten sie eine geraume Weile, ohne langsamer zu werden, und Pia hätte vermutlich noch lange nicht angehalten, wäre Alica nicht irgendwann stehen geblieben und hätte sich erschöpft gegen einen eisverkrusteten Baumstamm gelehnt. Ihr Atem ging so schnell, dass sie nur noch japsen konnte. An ihrer Schläfe pochte eine Ader.
»Ich … kann nicht … mehr«, würgte sie hervor.
Etwas sagte Pia, dass sie es sich nicht leisten konnten, anzuhalten. Ihr Verfolger würde ganz bestimmt keine Pause machen. Sie spürte eine Unruhe, die es ihr fast unmöglich machte, stillzustehen. Aber sie konnten auch nicht weiter. Alica war am Ende.
»Also gut«, sagte sie. »Eine Minute. Aber nicht länger.«
Alica nickte dankbar, und Pia drehte sich voller Unbehagen einmal im Kreis und versuchte, mehr Einzelheiten von ihrer Umgebung auszumachen. Dieser Wald war wirklich beklemmend. Es war deutlich kälter, als es hier drinnen sein sollte, und die Schatten erschienen ihr unnatürlich tief. Außerdem war es zu still. Alles, was sie hörte, waren die gedämpften Laute, die Alica und sie verursachten, und ansonsten rein gar nichts.
Und dann waren da noch die Bäume.
Schon von Weitem hatten sie seltsam ausgesehen, aber aus der Nähe betrachtet waren sie schlichtweg unheimlich, und vielleicht nicht einmal mehr richtige Bäume. Sie waren zu klein und die Stämme zu dick. Bisher hatte sie ganz instinktiv vorausgesetzt, dass der weiße Schimmer darauf Eis sei, aber es war etwas anderes, von dem sie nicht einmal wusste, was es war. Aber es sah … ungesund aus.
Das Schlimmste waren die Äste. Mehr als alles andere erinnerten sie Pia an dünne, knochig-weiße Hände mit viel zu vielen Fingern und noch mehr Gelenken, die sich direkt nach ihnen
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