Elfenblut
wirbelte er auf dem Absatz herum und rannte davon. Pia trat rasch zu Alica hin und verpasste dem Kerl, der ihr den Arm auf den Rücken bog, einen Fußtritt auf die Nase, die ohnehin schon heftig blutete. Der Kerl heulte auf und ließ Alicas Arm los, und Alica stieß den Ellbogen mit aller Gewalt nach hinten. Zielsicher traf sie seine Nase, und jetzt gab er endgültig auf und fiel bewusstlos hintenüber.
Noch bevor er im Schnee aufschlug, fuhr Pia schon wieder herum und richtete die Pistole auf Brasil. Der krümmte sich winselnd am Boden, presste die Hand gegen den blutenden Arm und stellte keine Gefahr mehr dar. Von dem Burschen, der sie zu packen versucht hatte, war überhaupt nichts mehr zu sehen. Vermutlich hatte auch er seine Chance genutzt und war weggelaufen, solange er es noch konnte.
»Pass auf den Kerl auf«, sagte sie, während sie sich ganz zu Brasil drehte.
»Worauf du dich verlassen kannst!«, versprach Alica grimmig. Dann erscholl ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem halblauten Stöhnen.
»So, und jetzt zu uns.« Pia ließ sich neben Brasil in die Hocke sinken, hielt ihn mit der Pistole in der rechten Hand in Schach und griff mit der anderen in seine Tasche, um ihm das Feuerzeug wieder wegzunehmen. Sie fand es, zusammen mit einem kleinen Lederbeutel, in dem es hörbar klimperte und den sie vorsichtshalber ebenfalls an sich nahm. Hinter ihr wiederholte sich das Ächzen; lauter.
»Du bist also der Meinung, zwischen uns gäbe es noch etwas zu klären?«
»Nein, gar nichts«, stieß Brasil zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Schulter blutete wirklich heftig. Pia war ein bisschen erstaunt, wie viel Schaden ein so kleines Kaliber doch anrichten konnte, wenn man sich nur genug Mühe gab. »Wirklich, wir sind jetzt … quitt.«
»Nicht ganz«, sagte Pia. Hinter ihr erscholl ein noch lauteres Stöhnen, und sie sah zumindest so lange hinter sich, um zu erkennen, wie Alica dem halb bewusstlosen Burschen zum dritten Mal mit aller Kraft in den Leib trat.
»Lass ihn leben, Alica«, sagte sie.
»Muss ich?«, fragte Alica, während sie erneut und mit aller Gewalt zutrat. Pia konnte hören, wie eine seiner Rippen brach. Mindestens eine.
»Es wäre besser«, erwiderte Pia und sah, wie Brasil sich aufzurichten versuchte; vermutlich, um irgendetwas ziemlich Dummes zu tun. Sie brachte ihn auf andere Ideen, indem sie seinem durchschossenen Bizeps einen freundschaftlichen Klaps mit dem Pistolenlauf versetzte.
»Ich denke, wir werden uns einig«, sagte sie, nachdem Brasil aufgehört hatte zu schreien. »Du beantwortest mir ein paar Fragen, und wenn ich mit deinen Antworten zufrieden bin, dann lasse ich dich am Leben. Was hältst du davon?«
»Ein … gerechter Vorschlag«, sagte Brasil gepresst. »Was …willst du … wissen?«
Pia tätschelte seinen Oberarm noch einmal mit dem Pistolenlauf, nur um ihn hinlänglich zu motivieren.
»He, das ist unfair!«, beschwerte sich Alica. »Wieso darfst du, und ich nicht?«
»Also gut, ein Mal«, seufzte Pia. »Aber nicht mehr.«
Sie wartete, bis das erstickte Ächzen hinter ihr verklungen war, dann wandte sie sich wieder an Brasil. »Wer hat euch geschickt?«, fragte sie. »Brack?«
»Nein!«, versicherte Brasil hastig. »Er hat nichts damit zu tun. Wirklich!«
Pia glaubte ihm. Sie traute Brack zwar immer noch nicht vollständig – wie denn, sie kannte ihn ja kaum –, aber sie konnte sich eigentlich auch nicht vorstellen, dass er etwas mit diesem hinterhältigen Überfall zu tun hatte. So dumm war er nicht.
»Dann wart ihr nur wegen des Feuerzeugs hinter uns her?«, vergewisserte sie sich.
»Ja«, antwortete Brasil hastig. »Und wegen …«
»Ich kann es mir denken«, sagte Pia, als Brasil nicht weitersprach, sondern sie nur aus großen Augen anstarrte, die voller Furcht waren.
»Noch eine letzte Frage«, sagte sie. »Was weißt du über uns? Über Alica und mich?«
»Über euch? Nichts! Ich habe euch heute Morgen zum ersten Mal gesehen! Das ist die Wahrheit!«
»Schieß ihm auch noch in den anderen Arm«, sagte Alica. »Vielleicht wird er dann redseliger.« Pia konnte hören, wie sie abermals zutrat, und nahm sich vor, bei passender Gelegenheit einmal mit Alica über den Unterschied zwischen Notwehr und exzessiver Gewalt zu sprechen. Aber nicht jetzt.
»Hat sich irgendjemand in der Stadt nach uns erkundigt?«, fragte sie weiter. »Fragen gestellt oder sich komisch benommen?«
»Aber niemand kennt euch in der Stadt! Wer sollte denn nach euch
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