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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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sie zu setzen. Auf einem niedrigen Beistelltisch standen eine Teekanne und ein Glas. Mit einem angelaufenen Silberlöffel maß die Frau ein wenig von dem bernsteinfarbenen Sand ab und füllte ihn in das Teeglas. Dann goss sie heißes Wasser darüber und trank gierig. Sie zuckte kurz, und als sie aufblickte, erstrahlten ihre Augen in einem unheimlichen Glanz.
    Vals Blick schweifte immer wieder zu den Ziegenfüßen der Frau. Das kurze, dicke Fell an ihren schlanken Fesseln hatte etwas Obszönes, wie auch der Glanz schwarzen Horns, die beiden gespreizten Zehen.
    »Manchmal wirkt eine Arznei wie eine andere Krankheit«,
sagte die ziegenfüßige Frau. »Dave, denk daran, Ravus zu sagen, dass es wieder einen Mord gegeben hat.«
    Dave setzte sich auf den Ebenholzboden. »Ein Mord?«
    »Gestern Nacht starb Dunnie Berry. Die Ärmste kam gerade aus ihrem Baum - grässlich, wie dieses Eisengitter ihre Wurzeln einzäunt. Sie muss sich jedes Mal versengt haben, wenn sie daran vorbeiwollte. Du hast sie beliefert, oder?«
    Dave verlagerte sein Gewicht, ihm war offensichtlich unbehaglich. »Letzte Woche Mittwoch.«
    »Es kann gut sein, dass du der Letzte bist, der sie lebend gesehen hat«, sagte die Frau mit den Ziegenfüßen. »Gib acht.« Sie hob das Teeglas und nippte noch mal an der Mischung. »Es wird gemunkelt, dass dein Herr Gift feilbietet.«
    »Er ist nicht mein Herr.« Dave stand auf. »Wir müssen los.«
    Die Frau erhob sich ebenfalls. »Selbstverständlich. Kommt mit nach hinten, dann begleiche ich meine Schuld.«
    »Wehe, du isst oder trinkst hier etwas, dann geht’s dir noch schlechter als ohnehin schon«, flüsterte Dave Val zu, als er der Frau in ein weiteres Zimmer folgte. Die Kiste mit den ergatterten Romanen ließ er auf dem Fußboden stehen. Val verzog das Gesicht und ging zu einer Vitrine, in der ein großer, fester Brocken lag, eine Art Obsidian. Daneben waren weitere seltsame Dinge ausgestellt. Ein Stück Rinde, ein abgebrochener Stock, ein spitzer Bohrer in der Form eines Tannenzapfens, jede Schuppe messerscharf.
    Als Dave und die ziegenfüßige Frau kurz darauf zurückkamen,
lächelte sie. Val versuchte, sie anzustarren, ohne ihren Blick aufzufangen. Auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie ein übernatürliches Wesen sähe, hätte sie nie im Leben geantwortet, dass sie gar nichts tun würde. Sie fühlte sich nicht in der Lage, sich dessen zu vergewissern, was sie sah, oder zu entscheiden, ob vor ihr wirklich ein Ungeheuer stand. Dave packte die Bücherkiste und sie verließen die Wohnung. Val hörte das Blut im Kopf rauschen, im Gleichklang mit ihrem Herzschlag.
    »Verdammt, ich hatte dir gesagt, du sollst da warten«, schimpfte Dave und zeigte auf den Brunnen.
    Val war zu fertig, um sich zu wehren. »Ich habe gesehen, wie sich eine Statue bewegt hat.« Sie zeigte nach oben zum Dach und zum beinahe nachtdunklen Himmel, verlor jedoch den Faden. »Und dann bin ich über die Straße gegangen und... was ist sie?«
    »Scheiße!« Dave schlug auf die Steinmauer ein und schürfte sich die Knöchel auf. »Scheiße! Scheiße!« Er ging los, mit eingezogenem Kopf, als kämpfte er gegen einen starken Wind an.
    Val holte ihn ein und packte ihn am Arm. »Sag es mir«, forderte sie und verstärkte ihren Griff. Dave wollte sich losreißen, aber sie war stärker.
    Er sah sie seltsam an, als müsste er sie beide neu einschätzen. »Du hast nichts gesehen. Gar nichts.«
    Val starrte ihn an. »Und wie würde Lollis Antwort lauten? Eine Elfe, richtig? Außer dass es verdammt noch mal keine Elfen gibt!«

    Er fing an zu lachen. Sie ließ seinen Arm los und gab ihm einen Schubs. Die Kiste mit den Romanen fiel ihm aus der Hand, die Taschenbücher lagen auf der Straße.
    Er sah auf die Bücher hinunter und wieder zu Val zurück.
    »Arschkuh«, sagte er und spuckte aus.
    Da kochte die ganze Wut, das ganze Durcheinander des letzten Tages in ihr hoch und sie ballte die Fäuste. Sie wollte zuschlagen.
    Dave bückte sich und sammelte die Bücher auf. »Du kannst froh sein, dass du ein Mädchen bist«, murmelte er.

4
    Meidet der Koboldmänner Blick
Kauft nicht von ihren Früchten
Was fraß die Erde, wo sie züchten
Ihre Wurzeln, durstig, hungrig?
    CHRISTINA ROSSETTI,
»GOBLIN MARKET«

    A uf der Rückfahrt setzte Val sich auf einen Sitz, weit weg von Dave, lehnte den Kopf an einen U-Bahn-Plan unter Plexiglas und überlegte, wie ein Mensch Hufe haben konnte. Sie hatte beobachtet, wie sich Schatten von selbst bewegten, und hatte

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