Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
Vom Netzwerk:
schließlich so gut wie nichts über ihn. Aber dennoch entzog sie sich seinem Griff nicht.
    Sein Blick wanderte nach unten zu ihren Flügeln. Sie sahen in der Tat anders aus als heute Morgen. Er beugte sich etwas hinunter, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Seine Finger glitten über ihren Rücken, erkundeten die zarte Haut um die Flügelansätze. Er sah über ihre Schulter im Spiegel, wie ihre Augen sich halb schlossen und sie sich auf die Lippen biss. Er konnte ein kleines Gefühl des Triumphes nicht verhindern. Seine Berührungen ließen sie offensichtlich genauso wenig kalt wie ihn selbst.
    Er wandte sich wieder ihrem Rücken zu. Das zufriedene Lächeln, das eben noch um seine Lippen gespielt hatte, verschwand, während er die gerötete und vernarbte Haut inspizierte.
    «Was ist denn hier passiert?», fragte er so ruhig wie möglich.
    Sie zögerte ein wenig mit der Antwort und sagte dann: «Du hattest recht. Geoffrey hat nicht akzeptiert, was ich bin. »
    Er glaubte ihrem lakonischen Tonfall keine Sekunde. Ihm war nicht entgangen, wie sich ihr Körper unter seinen Händen versteift hatte oder wie ihr die Gesichtszüge für Sekunden entglitten waren und pure Panik gezeigt hatten.
    Sein ganzer Körper war sofort in Alarmbereitschaft. Wenn Boux es tatsächlich gewagt hatte, sich an ihr zu vergreifen …
    «Er hat versucht, dir die Flügel abzuschneiden?», fragte er und wunderte sich selbst, wie ruhig seine Stimme dabei klang. Schließlich war er vermutlich nur noch Sekunden davon entfernt, einen Mann zu töten. Aber seine wahren Gefühle hätten sie nur erschreckt.
    Sie sah ihn weiter unverwandt an. «Er hat es nicht nur versucht …»
    Abrupt ließ er ihre Schultern los und machte einen Schritt zurück. Unbändige Wut brannte in seinen Adern. Er hatte Geoffrey Boux schon immer für einen seelenlosen Schlächter gehalten, aber wenn er gewusst hätte, dass der Mann fähig war, seiner eigenen Tochter so etwas anzutun, hätte er sie niemals allein und schutzlos hier zurückgelassen.
    Aber natürlich war sie nicht seine Tochter. Sondern eines der von ihm so gehassten übernatürlichen Geschöpfe. Offensichtlich machte es für ihn da auch keinen Unterschied, dass sie Jahre als Teil seiner Familie unter seinem Dach verbrachte hatte.
    «Und dann hat er einen … Arzt geholt, um sie … ganz entfernen zu lassen», presste sie heraus. Ihre Stimme schwankte. «Sie haben über mich geredet, als wäre ich ein Stück Vieh.»
    Geoffrey Boux musste sterben. Das war Frédéric jetzt vollkommen klar. Eigentlich hatte er immer geahnt, dass es einmal zu einem alles entscheidenden Kampf zwischen ihnen kommen würde, aber er hatte nicht gewusst, dass es schon in so naher Zukunft passieren würde. Genauer gesagt: jetzt. Er wandte sich zur Tür.
    Aliénor musste seine Absicht in seinem Gesicht gelesen haben. Sie griff nach seinem Arm. Ihr Griff war ganz leicht und doch fühlte er ihn am ganzen Körper. «Hey», sagte sie sanft. «Ich weiß den Gedanken zu schätzen, aber lass es lieber.» In ihren Wimpern hingen Tränen, die sie jedoch entschlossen wegwischte. «Das ist doch wohl kaum eine Lösung.»
    Er fand schon, dass es eine Lösung war. Sogar eine verdammt gute. Das allein sagte ihm, dass er nicht bei klarem Verstand war. Ja, er hatte getötet und würde es jederzeit wieder tun, um die, die er liebte, zu schützen. Aber Geoffrey Boux in seinem eigenen Haus zu stellen und dann am besten noch vor Aliénors Augen und denen seiner Frau zu töten, diente nichts und niemandem außer dem Kühlen seiner Wut.
    Der Zeitpunkt, sich mit Geoffrey Boux auseinanderzusetzen, würde kommen. Aber nicht jetzt. Jetzt musste er erst einmal Aliénor in Sicherheit bringen.
    Widerstrebend wandte er sich von der Tür ab und knurrte: «Du kannst hier keine Minute länger bleiben.»
    Aliénor zeigte auf ihre Tasche. «Was meinst du, was ich hier mache? Natürlich kann ich nicht hier bleiben.»
    Er nickte. Gut. «Wo wirst du hingehen?»
    Sie sah ihn mit großen Augen an und sagte nichts. Es war mehr als deutlich, dass sie auf diese Frage keine Antwort hatte.
    «Du wirst mit mir kommen», sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Für einen Augenblick sah es so aus, als wollte sie sich weigern. Er war schon bereit, sie sich einfach über die Schulter zu werfen. Auf keinen Fall würde er erlauben, dass sie hier in diesem Haus blieb. Unter einem Dach mit einem Mann, der zu so etwas Unsäglichem fähig war.
    «Nimm nur Sachen mit, die dir

Weitere Kostenlose Bücher