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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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ihn, und das Bedürfnis, sie zu küssen, war beinahe übermächtig. Verdammt! Das war wirklich nicht der Zeitpunkt für diese Art von Gedanken. Was war nur los mit ihm?
    Sie blieb still, sah ihn nur weiter unverwandt an, bis diesmal er ihrem Blick auswich.
    «Am besten, du setzt dich seitlich auf die Rückbank und versuchst es dir irgendwie bequem zu machen.» Er öffnete die hintere Tür und hob sie mühelos ins Auto. Die Beifahrertür schloss sich mit einem dezidierten Wumms. D’Ors Laune schien sich dadurch, mehr oder weniger ignoriert zu werden, nicht gebessert zu haben.
    Sekunden später glitt Frédéric in den Fahrersitz und startete mit einem letzten kurzen Gruß in Richtung d’Or den Wagen.
    Während er losfuhr, hörte er, wie Aliénor auf dem Sitz hin und her rutschte und versuchte, eine geeignete Sitzposition zu finden. Plötzlich blickte sie hoch und ihre Blicke trafen sich im Rückspiegel.
    Sie sah ihn an und er wusste, dass er ihr nun nicht mehr würde ausweichen können. Er wappnete sich und dann kam sie auch schon, die unvermeidliche Frage, die er lieber nicht von ihren Lippen gehört hätte:
    «Wer», fragte sie, «oder vielmehr was bist du denn nun eigentlich, Frédéric?»

17
    Er ist aus dem Fenster gesprungen , dachte Aliénor, während sie eine bequeme Sitzposition suchte, und fühlte ein hysterisches Lachen in sich aufsteigen. Er ist tatsächlich aus dem Fenster gesprungen.
    Mit ihr auf dem Arm. Er hatte sie so leicht getragen, als sei sie nicht schwerer als eine Puppe. Und dann hatte er dafür gesorgt, dass die Passantin sie nicht sehen konnte. Und wieso war er überhaupt bei der Verwandlung bei ihr gewesen und hatte im Voraus gewusst, was passieren würde?
    Er war eindeutig kein Mensch. Sie fühlte, wie ihr bei dem Gedanken der Atem stockte. Kein Mensch. Aber gut, sie war schließlich auch kein Mensch. Flügel hatte er allerdings keine, eine Elfe war er also nicht.
    Sie starrte ihn an. Sein Gesicht, das sie von der Rückbank gerade so im Halbprofil erkennen konnte, wirkte im matten Licht des Armaturenbretts streng wie das eines mittelalterlichen Heiligen. Nein, korrigierte sie sich, nicht Heiligen. Mehr wie ein Krieger. Ein Ritter.
    Ihr Ritter. Sie schüttelte den Kopf über diesen abwegigen Gedanken. Natürlich war er kein Ritter. Was weiterhin die Frage offen ließ, was er denn nun – außer kein Mensch – tatsächlich war.
    Später, hatte er gesagt. Jetzt war eindeutig später. Also stellte sie die Frage, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte.
    «Wer», fragte sie, «oder vielmehr was bist du denn nun eigentlich, Frédéric?»
    Zunächst glaubte sie, dass er ihr nicht antworten würde. Aber ihm musste wohl selbst klar sein, dass sie nach den Ereignissen des letzten Tages – und denen der letzten halben Stunde – kein Schweigen mehr akzeptieren würde.
    «Du hast es doch heute Morgen selbst gesagt», erwiderte er nach kurzem Zögern.
    «Ich …?» Was hatte sie gesagt?
    Die Sonne geht auf? Bist du etwa ein Vampir?
    «Nein», flüsterte sie und starrte ihn an.
    Er erwiderte kurz ihren Blick im Rückspiegel, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zuwandte. «Findest du es so unglaublich?», sagte er und fügte, als sie den Mund zu einer Antwort öffnete, hinzu: «Meine kleine Elfe.»
    Aliénor schloss den Mund wieder. Natürlich. Er hatte recht.
    Es schien nur alles so fantastisch. Aber sie musste endlich anfangen, sich mit der neuen Situation anzufreunden. Sie war auf der Flucht, sie hatte keine Ahnung, wo sie hin sollte, sie wurde vermutlich gejagt – sie musste jetzt ganz schnell anfangen zu denken.
    «Also gut, du bist ein Vampir. Heißt das, du bringst Menschen um, indem du ihr Blut trinkst?» Sie fröstelte bei dem Gedanken, dass ihr Retter in Wirklichkeit ein rücksichtsloser und grausamer Blutsauger war, der sich jeden Moment auf sie stürzen konnte. Bitte, lass es ihn abstreiten . Lass ihn sagen, dass es nur ein dummer Aberglaube ist.
    «Nein», sagte er sofort und sie atmete schon innerlich auf, als er hinzufügte: «Na ja … schon.» Ihr Herz sank ins Bodenlose, was er ihr wohl auch an der Nasenspitze ansah, denn er beeilte sich, weiterzusprechen: «Also, ganz so einfach ist das nicht zu erklären. Ich selbst trinke kein Blut von Menschen, nicht mehr. Die meisten Vampire tun es allerdings schon. Aber normalerweise ermorden sie dabei niemanden. Sie beißen nicht einmal, damit sie möglichst keinen Kontakt mit Menschen haben. In der heutigen Zeit, mit

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