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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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uns ziemlich sicher, dass wir uns für den Ernstfall wappnen sollten, und dass dieser in nicht allzu ferner Zukunft eintreten wird.»
    «Das klingt … geheimnisvoll.» Auch wenn sie sich Mühe gab, es ihn nicht merken zu lassen, klang ihr Tonfall doch ausgesprochen skeptisch. Er verbiss sich ein Schmunzeln. Natürlich glaubte sie nicht an die Prophezeiung. Er hätte es an ihrer Stelle auch nicht getan.
    Er wünschte sich auch von ganzem Herzen, sie hätte recht, und es wäre alles nur Humbug. Doch er wusste, dass es anders war.
    «Die Aufgabe der Sucher ist es, die Weissagung zu entschlüsseln, die sich mit der Lösung des Problems befasst. Denn wie es in der Natur solcher Sachen liegt, wird nicht einfach gesagt, was zu tun ist, sondern es ist alles rätselhaft umschrieben.»
    Jetzt schien immerhin ihre Neugier geweckt, denn sie lehnte sich vor. «Du meinst wie beim Orakel von Delphi? Man muss es erst richtig interpretieren?» Ihre Augen funkelten.
    Frédéric nickte. Er wusste, es war verboten, mit Außenstehenden über die Prophezeiung zu sprechen. Aber er wusste auch, dass es jetzt kein Zurück mehr für ihn gab. Er wollte, er musste Aliénor überzeugen, dass seine Mission real und wichtig war. Also tat er das Undenkbare.
    «Nicht Nacht, nicht Tag», rannen die alten, unterdessen so vertrauten Worte der Weissagung über seine Lippen.
«Kein Zwielicht, kein Anderlicht.
Alles was ist, wird Nichts sein.
Das Pentagramm vereint
im letzten Gefecht.
Einer im Dunkel geboren, der Sonne fremd.
Einer im Wandel, der Form nicht treu.
Einer im Hellen Zuhause, doch im Dunkel ohne Gefahr.
Einer schwerelos im schattenlosen Zwielicht.
Einer in Vollkommenheit ohne Gestalt.
Doch Einer bindet alle.»
    Aliénor sah ihn mit großen Augen an. Es schien, als hätten die Worte etwas in ihr berührt und ihre Zweifel besiegt. «Und was bedeutet das alles?», fragte sie sanft. Es schien fast so etwas wie Ehrfurcht in ihrer Stimme mitzuschwingen.
    Unwillkürlich beugte auch er sich vor. Es war ihm wichtig, dass sie verstand, welcher Aufgabe er sein Leben gewidmet hatte. «Das ist das Problem. Es existieren widersprüchliche Deutungen, wer als Weltenretter aufgrund der Weissagung in Frage kommt. Wir glauben, dass jede Zeile für ein anderes Wesen steht. Wie gesagt, wir suchen nach Deutungen, weiteren Zeichen, Hinweisen auf die Personen.»
    «Ich vermute, dass ist keine leichte Aufgabe», meinte Aliénor. Sie wirkte nachdenklich. Gut, das sollte ihm für den Moment genügen. Wenn sie zumindest anfangen konnte, ihm zu glauben, war er zufrieden.
    «Komm, ich zeige dir unsere Bibliothek.» Er war sich sicher, dass ihr das Spaß machen würde.
    Sie standen auf und als er ihr die Hand hinhielt, legte sie ihre ohne das geringste Zögern hinein. Er lächelte sie an.
    «Du kannst dich übrigens im Château völlig frei bewegen und kommen und gehen, wie du willst. Du bist ein Gast hier, keine Gefangene. Wenn du hinausgehst, solltest du dich allerdings zu deiner eigenen Sicherheit nicht zu weit entfernen und auf keinen Fall das Gelände verlassen. Aber das hat Bertrand dir bestimmt auch schon gesagt.»
    Sie nickte. Sie nahm das alles sehr gelassen hin, aber er wusste, dass es seltsam für sie sein musste. Er fand es ohnehin erstaunlich, mit welchem Mut sich Aliénor ihrem neuen Leben stellte. Er hatte Weinkrämpfe und hysterische Anfälle erwartet, aber seine kleine Elfe schien bei aller äußeren Zartheit erstaunlich widerstandsfähig zu sein. Diese kleine Elfe, korrigierte er sich in Gedanken und wies sich streng zurecht. Er musste es endlich in seinen Kopf kriegen: Sie gehörte nicht ihm und würde es auch nie tun.
    Er wusste das und er konnte es sogar akzeptieren. Trotzdem hatte er vor, jede Minute, die er in ihrer Gegenwart verbringen konnte, bis aufs Letzte auszukosten.
    Sie betraten die Bibliothek und er versuchte, alles mit ihren Augen zu sehen. Der lange Tisch in der Mitte, von geknoteten Bändern geschlossen gehaltene Rollen, Blöcke mit Notizen, Fläschchen, Lupen und andere Hilfsmittel, für die genaue Prüfung der alten Schriften. Doch vor allem ein riesiger Raum voller Regale, die bis unter die hohe Decke reichten. Angelehnte Leitern, an der Oberkante auf einer Schiene laufend, am Boden auf Rollen, ermöglichten den Zugang zu den oberen Etagen. Die Regale waren mit wertvollen, in Pergament oder altes Leder gebundenen Büchern gefüllt.
    Alt, verstaubt, unzeitgemäß. Er vermutete, dass seit Jahrzehnten keine neuen Bücher mehr dazu

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