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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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gekommen waren. Wenn es Neuzugänge gegeben hatte, dann waren auch diese eigentlich alt gewesen, exklusive Fundstücke aus längst vergangenen Tagen. Wie hatte er denken können, dass sie hier etwas zu lesen finden würde. Fast entschuldigend sagte er: «Ich fürchte, du wirst hier keine Unterhaltungslektüre finden, aber vielleicht doch das eine oder andere Interessante, um dir die Zeit zu vertreiben.»
    «Sofern ich die Sprache verstehe und die Schrift lesen kann», meinte sie mit einem Lachen in der Stimme. Überrascht blickte er zu ihr. Sie fand seine Verlegenheit offensichtlich amüsant. Normalerweise hätte ihn das verärgern sollen. Wer schätze es schon, wenn über ihn gelacht wurde. Aber bei ihr war es etwas anderes. Er fand es charmant und beinahe … befreiend.
    Sekundenlang blickten sie sich in die Augen. Sie stand auf einmal so nah vor ihm, dass er die feine Zeichnung in ihrer Iris sehen konnte. Er wurde von einem unwiderstehlichen Drang erfasst, ihre lächelnden Lippen an den seinen zu fühlen. Sie an seinen Körper zu ziehen. Sie zu küssen …
    Abrupt wandte er sich ab. «Lass uns weitergehen.»
    Frédéric zeigte ihr noch weitere prächtige Salons auf derselben Etage, aber Aliénor war ein wenig abgelenkt. Sie musste ständig daran denken, wie intensiv er sie angesehen hatte und wie aufregend sich das anfühlte. Sie hatte bis jetzt nicht gewusst, dass man Blicke auch körperlich wahrnehmen konnte. Es fühlte sich an, als streichelte er ihre Haut mit seinen Augen und das war ungeheuer aufregend und berauschend. Nein, das traf noch nicht den Kern ihres Empfindens: Es war, als verlöre sie den Verstand und das war vollkommen in Ordnung.
    Dann betraten sie einen kleineren Saal mit quadratischem Grundriss und spärlichem Mobiliar, den das Doppelporträt eines Vampirpaares über dem marmornen Kamin dominierte. Zur Linken hing ein mächtiges Schwert, dessen Knauf mit Edelsteinen besetzt war, zur Rechten ein nicht weniger prächtiger Waffenschild.
    Die Ähnlichkeit des Porträts mit Frédéric war frappierend. Ein stolzer, aufrechter Mann, gut gekleidet, breite Schultern und fast dieselben Gesichtszügen wie Frédéric, aber mit einem dünnen Schnurrbart wie Salvatore Dalí.
    «Sind das deine Eltern?»
    Er nickte. «Sie starben bei dem letzten großen Gefecht der Vampirgeschlechter, ehe wir Frieden schlossen und einen König wählten. Bei uns ist es ähnlich wie bei den Menschen. Es geht immer um Besitz und Macht.»
    Aliénor zögerte. «Es war für dich und Valentine bestimmt nicht einfach. Wart ihr damals noch Kinder?»
    Er schüttelte den Kopf, ohne den Blick von dem Bild zu wenden. «Nein, wir waren schon erwachsen. Trotzdem war es eine schwierige Zeit, vor allem für Valentine.»
    Wieder lag ihr die Frage auf der Zunge, wie alt er sein mochte. Allerdings könnte es sein, dass sie die Antwort nur erschrecken würde. Wichtig war doch im Grunde genommen nur, wie wohl sie sich in seiner Nähe fühlte. Wollte sie das wirklich durch unbedachte Fragen in Gefahr bringen?
    «Ist das Schwert ein Familienerbstück?», wechselte sie also das Thema. Sie betrachtete es beeindruckt. Die Klinge war ganz außergewöhnlich, schmal und lang, und mit einem Muster versehen.
    «Ja, es war das Schwert meines Vaters und danach das meine. Ich habe es niedergelegt, als … als der Hüter mich in die Gruppe der Sucher berufen hat.»
    «Der Hüter?»
    «Ein heiliger Vampir, so etwas wie ein Oberpriester.»
    «Aha.» Darüber könnte man sich ja ein andermal unterhalten. Im Augenblick gab es Interessanteres.
    «Hast du mit diesem Schwert tatsächlich gekämpft?», rutschte es ihr heraus, bevor sie noch richtig nachdenken konnte. Denn als sie das tat, wurde ihr klar, dass sie gar nicht so genau wissen wollte, ob an dieser Klinge das Blut anderer Vampire geklebt hatte, die Frédéric im Kampf getötet hatte. Sie hoffte wirklich, dass es sich lediglich als Statussymbol aus früheren Zeiten entpuppen würde.
    Doch er gab nur einen unverbindlichen Laut von sich und schien es auf einmal eilig zu haben, den Raum wieder zu verlassen. Das war nicht die Antwort, die sie hatte hören wollen.
    «Ich bringe dich jetzt am besten auf dein Zimmer», meinte er, als er sie aus dem Salon führte.
    «Wo schläfst du eigentlich?»
    «Unten.»
    «Wo, unten? Im Erdgeschoss?» Aber dort befanden sich doch nur allgemein genutzte Räume wie der Speisesaal oder auch die Küche. «Oder haust du etwa im Keller?» Ein bisschen Provokation konnte nicht schaden,

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