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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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vernünftig, oder zumindest vernünftiger, zu werden.
    «Saft», sagte sie also lächelnd.
    Während den Vampiren jeweils ein großer Teller mit Salat, Gemüse und einem blutigen Steak serviert wurde, erhielt Aliénor einen Teller, der in drei Bereiche unterteilt war: Salat, Gemüse und eingelegtes Obst. Sie zwang sich, nicht auf die Steaks der anderen zu schauen, deren Anblick ihr die Kehle zuschnürte.
    Für eine Weile schwiegen alle und Aliénor war überrascht, mit welch guten Manieren gegessen wurde. Jeder verwendete seine Stoffserviette, um sich den Mund abzutupfen, bevor er aus seinem Weinglas trank. Verstohlen beobachtete sie Olivier und Valentine dabei, wie sie Messer und Gabel verwendeten. Was hatte sie denn erwartet? Dass Blutsauger ihr Steak in die Hand nahmen, daran saugten und schmatzten?
    Nicht unbedingt, aber noch nie hatte sie jemanden gesehen, der eleganter und mit soviel Etikette ein Besteck verwendete. Überhaupt war sie ein wenig irritiert über dieses gemeinsame Abendmahl, war sie doch bisher der Meinung gewesen, Vampire würden sich ausschließlich von frischem Blut ernähren, und wenn sie aufschaute und zufällig einen Blick auf Oliviers Mund erhaschte, wenn dieser sich ein Stück Steak in den Mund schob, dann ließen die dabei freigelegten Fangzähne auch keinen Zweifel darüber aufkommen, wo sie sich befand und mit wem sie gerade zu Abend dinierte.
    Sie wandte sich schon mit der Frage auf den Lippen an Frédéric, doch sein amüsierter Blick stoppte sie. Er schien genau zu wissen, was sie gerade dachte. Sie fühlte, wie ihr warm wurde, und war sich sicher, dass ihr Gesicht und Dekolleté rosig glühen mussten.
    «Was?», fragte sie verlegen.
    «Du fragst dich bestimmt, warum wir essen.»
    Sie konnte es nicht abstreiten.
    «Viele Dinge, die die Menschen über Vampire glauben, sind dem Aberglauben und der Fantasie einiger Autoren entsprungen. Ja, wir trinken Blut, aber wir können sehr wohl normales Essen zu uns nehmen.»
    «Aber …» Aliénor runzelte die Stirn. Vampire waren tot, hatten keinen Stoffwechsel. Wie bitte sollte das funktionieren?
    «Wir sind nicht tot», hörte sie Valentines kühle Stimme. «Auch das ist ein reines Ammenmärchen. Vampire sind in der Tat eine eigene Spezies, die sich parallel zum homo sapiens entwickelt hat. Wir vermehren uns auch nicht durch das Töten unserer gebissenen Opfer, wir sind ganz normale Familien …» Ihre Stimme war beim letzten Satz immer leiser geworden und verstummte schließlich ganz. Ihr Gesicht war kreidebleich. Abrupt stand sie auf. Ihr Stuhl rutschte mit einem unmelodischen Geräusch über das Parkett nach hinten. «Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen.» Mit gesenktem Blick eilte sie aus dem Zimmer.
    Aliénor sah ihr überrascht hinterher und wandte sich dann wieder zu Frédéric.
    «Habe ich etwas Falsches gesagt?», fragte sie verwirrt.
    «Nein, nein. Du musst meiner Schwester verzeihen. Es ist … eine lange Geschichte.»
    Es war sehr deutlich, dass er nicht weiter darüber reden wollte. Nun gut, sie würde ihn nicht dazu zwingen, schon gar nicht hier vor seinem Freund.
    Irgendwann würde sich hoffentlich die Gelegenheit zu einem Gespräch unter vier Augen ergeben. Vielleicht würde sie dann mehr erfahren.
    Sie wandte sich wieder ihrem Essen zu.

22
    Nach dem Essen hatte sich d’Alençon auf sein diskretes Zeichen hin bald zurückgezogen und ihn mit Aliénor allein zurückgelassen. Es war an der Zeit, ihre Fragen zu beantworten. Er war sich ziemlich sicher, dass seine neugierige kleine Elfe die erste sich bietende Gelegenheit nutzen würde, um ihn ins Verhör zu nehmen. Und wirklich – kaum hatte sich die Tür hinter Olivier geschlossen, drehte sie sich zu ihm.
    «Frédéric, auf der Fahrt hierher hast du mir gesagt, du wärst ein Sucher? Was bedeutet das?»
    Ausgesprochen langsam hob er sein Weinglas an die Lippen. Roxanne hatte nachgeschenkt, bevor sie den Tisch abräumte. Er nahm einen tiefen Schluck und drehte das Glas zwischen den Fingern hin und her. Lichtreflexe funkelten im tiefen Rot des Bordeaux. Was sollte und konnte er ihr alles sagen? Sie war keine von ihnen, und doch hatte er das tiefe Bedürfnis, sich ihr anzuvertrauen. Er hatte über die Jahrhunderte gelernt, seinen Instinkten zu vertrauen. Und so tat er es auch jetzt.
    «Es existiert eine uralte Weissagung über das Ende der Welt», begann er. «Ich weiß, es gibt viele dieser Art und die meistens sind grober Unfug. Doch aufgrund verschiedener Umstände sind wir

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