Elfenkind
schluckte, «inzwischen vermutet man, es liege daran … also, es ist üblich, dass Elfen untereinander heiraten. Cousin und Cousine, sogar Geschwister. Unser Volk sollte aus einer möglichst reinen, nicht mit anderen Geschlechtern vermischten Linie bestehen. Das hat aber dazu geführt, dass …»
Aliénor starrte ihn ungläubig an. «Ihr betreibt Inzucht?» Sie war fassungslos, wie einfach und doch berechnend der Grund für die Hochzeit war. «Der Bastard ist also gut genug, eure Gene aufzufrischen. Ihr wollt mich als Gebärmaschine, ich soll frisches Blut einbringen. Aber das sage ich dir, daraus wird nichts!»
Nelrin räusperte sich. «Aliénor», flehte er in sanftem Tonfall. «Übereile deine Entscheidung nicht. Das Leben des Duc hängt davon ab.»
Aliénors Aufschrei ließ Nelrin einen Schritt rückwärts taumeln. Sie stürzte auf ihn zu, packte ihn mit beiden Händen an den Oberarmen und schüttelte ihn. Ihre Fingernägel bohrten sich schmerzhaft durch den dünnen Stoff in seine Haut, aber er wehrte sich nicht, sondern ließ es willenlos über sich ergehen.
«Aliénor. Aliénor, bitte …» Er wollte sie in seine Arme schließen, aber sie stieß ihn von sich weg. «Es tut mir leid, glaub mir. Ich habe damit nichts zu schaffen.» Er schluckte, ehe er weiter sprach. «Findest du mich denn so abstoßend, dass du dir überhaupt nicht vorstellen kannst, dein Leben mit mir zu verbringen?» Seine Worte waren sehr leise.
Aliénor kämpfte um Fassung. Unkontrollierte Wut würde ihr jetzt nicht weiterhelfen, genauso wenig wie die Panik, die sie in sich aufsteigen fühlen konnte.
«Nelrin, ich mag dich », sagte sie, bemüht ruhig und vernünftig zu klingen und nicht wie die rasende Furie, die sie im Inneren war. Das war die Wahrheit. Es war ihr inzwischen klar, dass er ebenso wie sie ein Werkzeug im Spiel des Herrschers war. «Aber das genügt nicht.»
Sie holte tief Luft. «Und jetzt bring mich sofort zu Frédéric!»
Nelrin ging mit gesenktem Kopf voraus. Aliénor hatte keine Ahnung, wie sie aus diesem Schlamassel herauskommen konnte, aber eines wusste sie gewiss: Sie musste Frédéric retten.
Die kunstvoll bemalten Wände mit den fröhlichen Motiven, an denen sie vorbeikamen, erschienen ihr wie Hohn zur aktuellen Situation. Die Szenen zeigten Elfen, die sich spielend oder tanzend zu einer imaginären Musik bewegten, voller Anmut und Unschuld, miteinander in Frieden und Einklang. Doch die Wirklichkeit war eine andere. Es hätte sie interessiert, ob das schon immer so gewesen war.
Die wenigen Elfen, die ihnen auf den Fluren begegneten, sahen schnell weg, als wüssten sie Bescheid, wollten aber nichts damit zu tun haben. Aliénor schaute ihnen in die Augen, aber die anderen mieden den Blickkontakt. Möglicherweise lag aber auch immer noch ein wütender Ausdruck auf ihrem Gesicht, der die Elfen abschreckte. Recht so. Sie hätte niemals hierher kommen dürfen. Aliénor ballte wütend die Hände zu Fäusten. Sie war umgeben von Lügnern, Intriganten und Dieben. Aber woher hätte sie das wissen sollen.
Niemand hielt die beiden auf, als sie das Château verließen. Zwar gab es durchaus Wachen, die in der näheren Umgebung patrouillierten, eine reine Vorsichtsnahme, aber Nelrin kannte ihre Wege und wich ihnen geschickt aus.
Sie flatterten über die große Gartenanlage hinweg und dann weiter, tief in den Wald hinein, bis sie schließlich zu einem großen Megalithmonument kamen. Nelrin landete und ging voraus, zwischen den gigantischen Steinen hindurch, die wie von Riesen aufgestellt wirkten. In der Mitte war ein großes Loch im Boden, in dem zu Aliénors Erstaunen eine stabile Wendeltreppe nach unten führte. Die Stufen waren schmal und kurz, führten in schnellen Windungen nach unten, wovon ihr ein wenig schwindlig wurde.
Sie erreichten ein unterirdisches Labyrinth, finster, nur von wenigen Fackeln erleuchtet. Aliénor befiel sofort Unwohlsein. Die Umgebung erinnerte sie stark an jene unheilvolle Nacht. Wenn Frédéric sie nicht gerettet hätte … Ob der König wohl ernst machen und ihn verbrennen würde, wenn sie sich widersetzte? Sie schauderte bei dem Gedanken
Nelrin führte sie in ein geheimes Gewölbe, von dem, wie er ihr erklärte, nur wenige Eingeweihte wussten. Es handelte sich um einen kreisrunden fensterlosen Raum, der von einer Kuppel überspannt war. In den Boden eingelassene Halbkugeln bildeten darin einen inneren Kreis, im Abstand etwa einen halben Meter von der Wand und zueinander entfernt. Über
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