Elfenkind
zurückkommen würde, nahm er das Auto. Auch wenn ihm die drei Stunden Fahrt unendlich lang vorkamen, war es so doch besser, als später unvorbereitet zu sein. Er parkte den Wagen auf demselben Parkplatz, auf dem er Aliénor zwei Wochen zuvor allein weitergeschickt hatte.
Wohin er sich wenden musste, war ihm nur ungefähr aus Erzählungen bekannt. Er verließ sich auf seinen Instinkt, der ihn bisher meistens gut geleitet hatte. Das Risiko, sich im Elfenland zu materialisieren, sofern es ihm unter dem Einfluss der Elfenmagie überhaupt gelingen würde, war einfach zu riskant. Mit langen Schritten zog er voran, beobachtete dabei ständig aufmerksam die Umgebung auf irgendwelche Hinweise. Ein eigenartiges Gefühl stoppte ihn kurz. Er sah sich um, konnte jedoch nichts entdecken, was Anlass zur Sorge gab und lief weiter.
Als er die Menhire vom Haus der Viviane erreichte, hielt er ein zweites Mal kurz inne. Er hatte viel darüber gelesen und gehört, und er wusste, es gab weitaus mehr dieser mystischen Orte im Wald. Aber alle gehörten zum Elfenreich und deshalb war es besser, sie zu meiden. Selbst als Vampir war man dort nicht sicher. Denn die Magie, die sich dort bündelte, gab den Elfen unkontrollierbare Fähigkeiten und Stärke. Als Geschöpfe des Zwielichts verachteten sie alle Wesen der Dunkelheit, obwohl man sich in der Vergangenheit niemals ernsthaft bekriegt hatte. Man war dem Kontakt einfach aus dem Weg gegangen.
Unschlüssig sah Frédéric sich um. Hohe Baumkronen umgaben die geheimnisvolle Anordnung der Menhire. Unwohlsein befiel ihn. Dieser Ort war wahrlich nichts für Vampire. Es gab hier wohl sehr starke Erdadern, die seine Sinne irritierten, sodass er nicht einmal mehr wusste, wie die Himmelsrichtungen verliefen. Leise fluchend schlug er irgendeine Richtung ein und hoffte, wenn er ein Stück Weg zurückgelegt hatte, würde er in der Lage sein, sich wieder zu orientieren, damit er nicht im Kreis ging.
Der Wald wurde noch dichter und der Weg, der durch das Unterholz führte, war schmal. Links und rechts brachen knacksend Zweige ab, die Frédérics Arme und Beine streiften. Grimmig verlangsamte er seine Schritte und versuchte vorsichtiger weiter zu gehen. Aber es nützte nur wenig. Er war einfach zu groß und zu breit, um den Weg ungehindert zu passieren. Eigentlich ein sicheres Zeichen, dass dieser Weg von den Elfen benutzt wurde. Oder von Tieren.
Normalerweise hätte es ihn gestört, so laut durchs Unterholz zu brechen. Doch jetzt wollte er zu den Elfen. Und da es immer mehr den Anschein hatte, dass er sie nicht finden würde, musste er sich wohl oder übel darauf verlassen, dass sie ihn entdecken würden. Er hoffte, dass es nicht allzu lang dauern würde. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
Nach einer halben Stunde erreichte er eine kleine Lichtung voller Blumen. Ihr süßer Duft, der sich den ganzen Tag über entfaltet hatte, hing noch betörend in der Luft und nahm ihm beinahe den Atem. Es war nichts anderes zu riechen, als nur ihr Aroma. Ein Pfad führte mitten zwischen ihnen hindurch und mündete auf der anderen Seite wieder in den Wald.
Als Frédéric die Mitte der Lichtung erreicht hatte, ging schlagartig rundum Licht an, gleißendes schmerzendes Sonnenlicht. Er hatte so manches in seinem langen Leben mitgemacht, Kämpfe mit schmerzhaften Verletzungen überlebt, aber darauf war er nicht gefasst. Das sengende Licht zwang ihn auf die Knie, er kauerte sich auf den Boden, biss die Zähne so fest aufeinander, dass sie knirschten, schloss die Lider und versuchte mit den Händen seinen Kopf und seine Augen zu schützen. Er fühlte, wie die ungeschützte Haut seiner Hände Blasen bildete und das Leder seiner Jacke heißer und heißer wurde. Der Gestank verbrannter Haut mischte sich in die süße, vom Blütenduft geschwängerte Luft.
In seinem Kopf arbeitete es fieberhaft. Er hätte es eigentlich rechtzeitig hören oder riechen müssen, wenn da jemand auf ihn gewartet hatte. Woher kam plötzlich das Sonnenlicht? Irgendjemand musste es geschafft haben, es zu bündeln und setzte es geschickt als Waffe ein.
Er musste etwas tun, sonst würde er in den nächsten Sekunden verglühen, ohne mit einem einzigen Elfen gesprochen oder – was noch viel schlimmer war – ohne Aliénor wiedergesehen zu haben. Er wollte nicht kämpfen, er kam als Parlamentär, in Frieden. Aber er würde sich nicht einfach vernichten lassen.
Gerade als er beschlossen hatte, ernsthaft und mit Waffengewalt Widerstand zu leisten, ging
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