Elfenkrieg
den Elfen kaum, ließ sich lieber aus der Ferne verehren, und so begannen sich die Elfen zu fragen, was es mit der Wiedergeburt und den Sternen auf sich hat. Wieso wurden manche Seelen wiedergeboren und manche nicht? Wo lag der Sinn dahinter? War es vielleicht das Schicksal?« Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht, als er ihre immer größer werdenden Augen betrachtete.
»Ganz recht«, sagte er und war offenbar höchst zufrieden mit ihrer Faszination. »In Jahrhunderten, Jahrtausenden des immer stärker werdenden Glaubens an das Schicksal wurde es Wirklichkeit. Der Schicksalsbaum erwuchs, und ihr Elfen habt euch eure eigenen Fesseln erschaffen. Wurdet gebunden durch eine Macht, die ihr erschaffen habt, einzig durch euren Glauben. Eine Macht, die sich euretwegen manifestierte und der Göttin ordentlich ins Geschäft pfuschte. Denn je mehr ihr an das Schicksal glaubtet, schöne Seele, desto geringer wurde die Macht der Göttin. Ihr habt sie ausgeschlossen aus eurer Welt, die sie für euch schuf, und begeht die Wege, die das Schicksal euch weist.« Er lachte laut auf, seine Augen blitzten mutwillig. »Genauso wie ich.« Sein Ausdruck wurde wieder ernst, als er fortfuhr. »Ich lebte zu einer Zeit, da existierten sowohl der Schicksalsbaum als auch die Göttin in den Herzen der Elfen.Das Schicksal gewann an Macht, und die Göttin begann zu schwinden, doch noch war sie da. Und sie gab nicht kampflos auf.«
»Was hat sie getan?« Vinae ahnte Böses.
»Ich gehörte zu jenen Elfen, die die ersten Tempel für das Schicksal erbauten«, erzählte Gregoran mit einem Hauch von Wehmut. »Ich glaubte an diese Macht, wie so viele andere zu dieser Zeit auch schon. Ich war mir sicher, mein Weg sei vorherbestimmt, und nur durch die Erfüllung meiner Aufgabe könne ich meinen Frieden finden. Und damit wurde ich zu einem Feind der Göttin.«
»Und sie machte Euch zum Dämon.«
Gregoran nickte. »Mich und viele andere, die den neuen Glauben, der für uns damals der einzig wahre war, so offenkundig lebten und zu stärken versuchten. Wir sollten uns nur noch von Seelen ernähren können, nichts sonst konnte unseren Hunger stillen. Denn jede Seele, die wir auslöschten, war eine Seele weniger für das Schicksal. Es war ihr letzter Versuch, die Macht des Schicksals zu mindern, doch es war bereits zu spät – für die Göttin, für Elvion, für die Elfen.«
»Und für Euch.«
Ohne nachzudenken, erhob Vinae sich von ihrem Hocker und ging auf Gregoran zu. Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken und ihm irgendwie Trost spenden, doch sie wusste, dass es nicht nur gefährlich war, sondern jetzt verstand sie auch, wie sehr er darunter leiden musste. Er war ein Dämon. Doch was bedeutete das überhaupt?
»Jetzt habe ich dein Weltbild durcheinandergebracht, nicht wahr?«, fragte er und ging von ihr fort, noch ehe sie ihn erreicht hatte. »Ich will dir keine Illusionen machen, Vinae. Wir Grogons raubten die Seelen, zerstörten sie, und mit jeder, die wir ins Nichts trieben, verloren wir auch unsere eigenen. Wirkennen einzig diesen Hunger nach Leben, Vinae, nach unsterblichem Leben, und ja, das machte uns zu Dämonen. Und zu Gejagten.«
»Viele wurden getötet.«
Gregoran nickte. »Die Elfen fanden Möglichkeiten, uns zu besiegen«, erklärte er, ohne stehenzubleiben, »uns einzusperren oder endgültig zu vernichten, und natürlich kamen keine neuen Grogons mehr nach. Die Göttin war fort, machtlos bei den Sternen, und wir blieben uns selbst überlassen.« Er zuckte mit den Schultern. »Es würde mich nicht wundern, wenn ich der Letzte wäre. Ich habe Jahrhunderte keinen anderen mehr getroffen.«
»Und dann hat Euch meine Mutter das angetan.«
»Das einzig Richtige, was sie je in ihrem Leben getan hat?«
Vinae presste sich die Hand vor den Mund und verfluchte sich für ihre unbedachten Worte. »Ich muss wohl noch lernen, dass jede Geschichte zwei Seiten hat«, murmelte sie und verfolgte Gregoran weiterhin mit Blicken, während er rastlos durch ihr Gemach wanderte. »Sie hat bewiesen, dass nicht nur Dämonen grausam sind. Es war Eure Macht, die damals die Seelen der Dunkelelfen vernichtete, doch der Würfel entstand durch die Hand meiner Mutter.«
Gregoran hielt inne und betrachtete Vinae einige Augenblicke lang mit fast so etwas wie Zärtlichkeit. »Ein Grogon«, fuhr er dann etwas heiser und mit gesenkter Stimme fort, »tötet, vernichtet, um sich zu ernähren, Vinae Thesalis. Deine Mutter hingegen war lediglich grausam.«
»Ja.«
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