Elfenkrieg
Mutter schon zurück, und vermutlich sollte Vinae gehen und sie begrüßen. Genauso musste sie nach ihren Freunden sehen und herausfinden, ob es ihnen gutging.
Die Burg wirkte wie ausgestorben, als sie die lichtdurchfluteten Korridore entlangschritt. Ihr Kopf fuhr ständig herum, suchte in jedem Winkel nach einer Bewegung, und obwohl sie sich genau darauf einstellte, schrie sie auf, als Gregoran von einem Moment zum anderen plötzlich vor ihr stand.
Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf und einem Lächeln auf den Lippen sah er sie an. »Hallo, schöne Seele.«
Vinae schnappte nach Luft. Für die Dauer eines Herzschlags rauschten ihr die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf, um ihr zu raten, was sie tun sollte. Sinnlos, da ohnehin der Instinkt gewann.
Ohne auch nur noch einen winzigen Moment länger zu verharren,drehte sie um und lief mit gerafften Röcken davon. Ja, sie wusste, dass der Kristall sie schützte, aber kein Elf hätte im Angesicht eines Grogons anders reagiert. Es gab in ganz Elvion nichts Gefürchteteres, nichts Schrecklicheres als solch einen Dämon. Vielleicht würde sie es bis zu den Fürsten und ihrer Mutter schaffen. Auch wenn sie nicht wusste, was die gegen ihn ausrichten sollten.
So weit kam sie ohnehin nicht. Sie war kaum ein paar Schritte weit gelaufen, da versperrte er ihr erneut den Weg.
Beinahe wäre sie mit ihm zusammengeprallt. Im letzten Moment konnte sie gerade noch stehenbleiben, fuhr herum und wollte wieder in die andere Richtung laufen, als er auch da vor ihr stand.
»Hab keine Angst vor mir«, sagte er völlig tonlos, als wüsste er, dass jeder Versuch, sie zu beruhigen, ohnehin fehlschlagen würde.
Außer Atem – mehr durch Angst als durch Anstrengung – wich Vinae vor ihm zurück. Mit der Hand umklammerte sie den Kristall an ihrer Brust, der ihr nur wenig Halt gab. Sie stand einem Seelenfresser gegenüber, ob er nun noch Seelen vernichten konnte oder nicht – er war grausam und gefährlich.
»Ich trage einen Schattenkristall«, brachte sie schließlich mit zitternder Stimme hervor. »Ihr könnt mir nichts tun.«
Gregorans Miene blieb völlig unbewegt. Die goldgelben Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen. »Wollte ich dich töten«, antwortete er mit rauer Stimme, »dann wärst du jetzt tot ... Vinae .«
Ein eisiger Schauer kroch ihren Rücken hinab. Die Art, wie er ihren Namen aussprach, hatte etwas Lähmendes. Nicht nur, dass er wusste, wer sie war. Er ließ das Wort »Unglück« auch noch wie etwas Wertvolles klingen, was im Gegensatz zu seinem Hass auf die Thesalis stand.
»Ich verstehe deine Verwirrung ...«, fuhr er schließlich fort, wodurch Vinae unwillkürlich stehenblieb.
»Ihr versteht meine Verwirrung?«, keuchte sie fassungslos über seine nüchternen Reden, als wäre er kein Dämon. »Ich habe Euch vertraut!«
»Vertraut?« Er schüttelte mit leisem Lächeln den Kopf und trat näher. »Ich bitte dich. Du hast mir niemals vertraut, schöne Seele. Du hast mir deinen Namen verschwiegen – mich belogen.«
»Zu Recht!«
»Ich habe dir nichts getan. Du weißt, ich hatte Möglichkeiten.«
Damit lag er nicht so falsch. Ihm war bewusst gewesen, wer sie war, und doch hatte er ihr niemals etwas angetan. Ein nur wenig beruhigender Gedanke, den sie nicht weiterverfolgen konnte, da sie plötzlich Stimmen und eilige Schritte hörte. Es waren Wachen, die von ihrem Schrei angelockt worden waren.
Vinae tauschte einen kurzen Blick mit Gregoran, in dessen Augen sofort wieder dieser Hunger stand, ehe sie an ihm vorbei zu den beiden Schlangenschilden sah, welche um die Biegung kamen. Es war nur ein winziger Augenblick, und doch geschah so vieles gleichzeitig.
Die Schlangenschilde zogen ihre Waffen, als sie Gregoran entdeckten. Dieser drehte sich um und verschwamm zu einem dunklen Schatten, der sich schneller, als das Auge folgen konnte, auf sie zubewegte. Vinae schrie und stürmte vor. Sie streckte ihre Hand aus, als könne sie den Schemen greifen und zurückhalten, doch der glitt einfach durch den Körper des einen Elfen hindurch. Dieser trug keinen Kristall, und so fiel er sofort in sich zusammen. Der andere hatte noch Zeit für einen Schwertstreich, doch da war nichts, was er hätte treffen können. Im nächsten Moment manifestierte sich Gregoran auch schon hinterihm und packte ihn am Handgelenk. Das Schwert entglitt den gefühllosen Fingern und fiel zu Boden. Der Elf erstarrte und blickte Vinae direkt aus großen Augen an, während das Leben langsam aus ihm
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