Elfenkrieg
lassen, wie sehr sie sein Blick zu irritieren vermochte. Eine Stimme in ihr flüsterte, dass sie einen Fehler beging. Sie sollte keinen einzigen weiteren Moment mehr in seiner Nähe bleiben, und doch trat sie mit einer einladenden Geste zur Seite.
»Folgt mir in mein Gemach«, sagte sie und fragte sich, ob er das wilde Schlagen ihres Herzens hören konnte. »Dann werdet Ihr mir sagen, wer Ihr tatsächlich seid.«
Gregoran nickte, nicht ohne jeglichen Triumph in seinem Gesicht, und ließ ihr den Vortritt.
»Was wisst Ihr über die Nebelgestalten?«, fragte Vinae, nachdem sie in ihrem Gemach angekommen waren. Sie saß auf dem dreibeinigen Hocker vor der Spiegelkommode und blickte zu Gregoran auf, der an die gegenüberliegende Wand gelehnt stand. Er hielt den größtmöglichen Abstand, den dieses Gemach erlaubte, ohne die Stimmen erheben zu müssen. Dafür war sie ihm dankbar.
»Um dir das zu sagen, musst du die gesamte Geschichte hören, schöne Seele. Hör dir meine Geschichte an, denn sonst hast du keinen Grund, mir später zuzuhören. Du wirst es nicht bereuen.«
Er vertraute ihr nicht, bemerkte Vinae, was sie überraschenderweise bekümmerte. »Woher kommt Ihr?«, fragte sie daher, ehrlich an der Antwort interessiert.
»Wie die meisten Grogons«, antwortete er ihr und deutete zum Fenster hinaus, »stamme ich aus dem Schneegebirge. Wir sind nur noch wenige, wie du vielleicht weißt.«
»Ich weiß nichts über Euch«, gestand Vinae. Sie hasste es, wie schwer es ihr fiel, einen Dämon in diesem Elfen, diesem Mann, zu sehen. Es war gefährlich, sich stets daran erinnern zu müssen. »Ich weiß lediglich, dass niemand als Dämon geboren wird.«
»Das ist richtig.« Er stieß sich von der Wand ab und ging mit vor der Brust verschränkten Armen die Längsseite des Gemachs auf und ab – ohne ihr näher zu kommen. »Ich war ein gewöhnlicher Elf«, erzählte er ihr und lachte kurz auf. »Meine Güte, wie lang ist das her! Ich kann mich kaum daran erinnern. Doch eines weiß ich noch ganz genau: Es war die Göttin, die mich zu dem machte, was ich bin.«
»Die Göttin ?«, fragte Vinae verblüfft. »Es gibt keine Götter, Gregoran. Die Menschen glauben an solche Hirngespinste, doch Elvion wird vom Schicksal geleitet.«
»Einem Baum, der an einem unbekannten Ort erwuchs? Dessen Äste sich nach Elvions Seelen ausstreckten, sie festhielten und ihren Weg – ihr Ende – bestimmten? Wie lang ist welcher Ast, wie viele Zweige führen davon weg? Ja, das ist das Schicksal, doch was war davor?«
»Was meint Ihr?«
»Wer erschuf all das hier?« Er machte eine weit ausholende Geste. »Wer erschuf die Elfen? Elvion?«
Vinae starrte ihn an und hatte mittlerweile tatsächlich die Gefahr vergessen, die von ihm ausging. Gespannt hing sie an seinen Lippen.
»Es war die Göttin«, fuhr Gregoran auch schon fort. »Frag mich erst gar nicht nach einem Namen, denn sie hat keinen. Sie ist, was sie ist, und danach wird sie benannt. So wie du, meine schöne Seele.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er seinen Gang fortsetzte. »Die Göttin erschuf Elvion, sie schuf die Elfen nach ihrem Abbild, ihre Dienerschaft. Eine wahrhaft großartige Frau, denn sie gab jeder Seele die Wahl. Du meinst, euer Weg ist vorherbestimmt, schöne Seele? Dass ihr immer wiedergeboren werdet, bis ihr eure vom Schicksal bestimmte Aufgabe erfüllt und zu den Sternen geht, wo ihr als Belohnung ewigen Frieden erlangt?« Er schüttelte seufzend den Kopf. »Das war nicht immer so. Die Göttin stellte euch diese Entscheidung frei. Hatte eine Seele beim Zeitpunkt des Todes das Gefühl, noch etwas erledigen zu müssen, etwas versäumt zu haben, zurückzumüssen, so gab sie ihr die Möglichkeit zur Wiedergeburt. Doch war die Seele zum Zeitpunkt des Todes im Einklang mit sich selbst und der Welt, hatte sie den inneren Frieden gefunden, so ging sie zu den Sternen.«
»Das ist nicht möglich«, hauchte Vinae und merkte gar nicht, wie sehr ihre Hände zitterten. Niemals zuvor hatte sie von solch einer Wahl gehört, sie wäre noch nicht einmal auf solch einen Gedanken gekommen. Jeder wusste, dass das Schicksal den Weg bestimmte. Jeder Elf, der versagte und seine Aufgabe nicht erfüllte, wurde so lange wiedergeboren, bis er sich würdig erwies, um die Ewigkeit bei den Sternen zu verbringen. Doch eine Wahl?
»Es war möglich«, sagte Gregoran und lehnte sich wieder gegen die Wand, von wo aus er sie unverwandt ansah. »Doch die Göttin war eingebildet. Sie zeigte sich
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