Elfenkrieg
offene Tür herein und brachte eine ganze Prozession grau verschleierter Gestalten mit sich. Und als wäre dieser Umstand noch nicht unheimlich genug, konnte Aurün von keinem Einzigen unter ihnen dieEnergie erkennen. Es war genauso wie bei Nevliin oder Vanora damals, nur Leere. Vermutlich verstanden diese Gestalten es, ihr Innerstes abzuschotten und nicht preiszugeben. Sie waren tatsächlich unbeschreiblich mächtig.
Einige der Fürsten sprangen sofort auf und zogen ihre Schwerter, doch ein einziges Handheben von Liadan ließ sie innehalten.
Langsam erhob sich die Königin von ihrem Stuhl und blickte den fremden Elfen entgegen, die über dem Nebel zu schweben schienen. Auf der anderen Seite der Tafel, genau auf Liadans Höhe, hielten sie an, und da der Nebel nicht sehr hoch über den Boden kroch, waren sie deutlich zu erkennen.
Die Männer unter ihnen – es waren wohl kaum mehr als zehn an der Zahl – trugen Gewänder von hellgrauer Farbe, die Wolken glichen. Darüber hatten sie metallene Brustpanzer, Arm- und Beinschienen angelegt, die im Schein der Miran funkelten. Die Schwerter trugen sie auf dem Rücken, und keiner von ihnen machte Anstalten, die Waffe zu ziehen. Die Gesichter der Männer waren von grauen Masken verdeckt, das lange Haar hatten sie im Nacken zusammengebunden.
Die Männer boten einen prächtigen Anblick, wie selbst Aurün zugeben musste, doch im Moment konnte sie davon nicht beeindruckt werden. Es waren diese Leute gewesen, die ihren Vater ermordet, das Herz gestohlen und ihr Volk versklavt hatten. Sie konnte sich noch genau an sie erinnern.
Liadan stand inzwischen aufrecht, und einzig die Tafel trennte sie von diesen mächtigen Feinden. In einem für eine Königin schlichten, aber kunstvoll gearbeiteten Kleid und mit einem Diadem im schwarzen Haar sah sie den Boten von so viel Unheil entgegen, als handle es sich um irgendwelche belanglosen Gesandten. Ihre silberfarbenen Augen offenbarten nicht die geringste Gefühlsregung.
Die Fürsten, aber auch Eamon hatten auf ihre Anweisung hin wieder Platz genommen und blickten allesamt entgeistert zu diesem vollkommen überraschenden Besuch.
»Königin Liadan«, sprach schließlich einer der Männer, und wie auf ein unsichtbares Zeichen hin gingen sie allesamt auf ein Knie nieder. Einzig die verschleierten Frauen blieben stehen, reglos und doch mit stolzer Haltung.
Der vorderste der Knieenden hielt eine kleine Schachtel in den ausgestreckten Händen vor sich, die – auf ein Nicken von Liadan hin – der Fürst Averon aus Riniel entgegennahm und seiner Königin über die Tafel hinweg mit einer Verbeugung reichte. Die Nebelmänner erhoben sich daraufhin wieder und warteten.
Aurün blickte zwischen Liadan und den Neuankömmlingen hin und her. Was hatte das alles zu bedeuten? Wie war es möglich, dass sie hier waren? Wieso waren sie nicht aufgehalten worden? Wieso war keine Wache hier?
Liadan schien sich das alles nicht zu fragen, vielleicht wusste sie ohnehin, dass sie nichts gegen diese fremde Macht ausrichten konnten, und vermutlich meinte sie auch, das Schicksal ihrer Wachen zu kennen.
Ohne sich auch nur in geringster Weise Beunruhigung anmerken zu lassen, öffnete sie den goldverzierten Deckel, warf einen Blick in das Behältnis und wandte sich schließlich wieder an den vordersten Mann.
»Ein Stern?«, fragte sie, immer noch kühl, aber auch nicht unhöflich.
»Ein Geschenk«, antwortete der Fremde und gab unter seiner Maske ein Lächeln preis. »Das Geschenk der Freiheit, Eure Majestät.«
»Freiheit?« Liadan starrte dem Mann in die Augen. »Wessen Freiheit? Die der Elfen, welche Ihr ermordet habt? Die der Orakel? Soll dieser Stern hier ...«, sie hob die Schachtel mitdem funkelnden Inhalt, »... mich verhöhnen? Da all diese unschuldigen Seelen Euretwegen zu den Sternen gingen? Nennt Ihr das Freiheit?«
»Nein, Majestät«, antwortete der Fremde, während sich die anderen nicht von der Stelle rührten. »Die Sterne symbolisieren die Freiheit aller Seelen. Es ist ein Ort des Friedens, welcher einer jeden Seele offen stehen sollte. Ein Ort, den die Göttin in ihrer Gnade für unsereins schuf und an dem sie jetzt eingeschlossen wird.«
»So schlimm kann dieses Dasein nicht sein, wenn es doch so friedlich dort ist.«
Keine der Nebelgestalten regte sich, und auch der Sprecher schien unberührt von diesen Worten. »Es ist nicht der Platz der Göttin«, antwortete er ruhig. »Die Sterne sind für unsere Seelen gedacht, doch das Schicksal
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