Elfenkrieg
Auffällig langsam drehte er sich zu ihr um, den Blick abgewandt.
»Ardemir, bist du verletzt?« Sie fasste an den Schulterriemen seiner Rüstung, um ihn zu lockern, da packte er plötzlich ihr Handgelenk und drückte zu.
»Wieso«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, jede Silbe betonend und immer lauter werdend, »musst du mich ständig anfassen ?« Er schob sie von sich. Vinae stolperte zwei Schritte zurück und starrte ihn einen Moment lang nur an. Als er sich jedoch wieder abwenden wollte, war sie sofort wieder bei ihm.
»Meine Güte, Ardemir, jetzt sag mir, was los ist.« Er versuchte sich ihr zu entwinden, doch Vinae hielt ihn an den Armen fest. »Ist etwas beim Angriff passiert? Bist du verletzt? Ich kann dich hei...«
»Sag, begreifst du denn nicht, Vin?« Er befreite sich mit einem Ruck aus ihrem Griff und wollte nun seinerseits ihreHände fassen, die immer noch seine Rüstung zu lösen versuchten, um eine mögliche Verletzung aufzuspüren. Sie rangelten eine Zeitlang herum, jeder darauf bedacht, den anderen zu überlisten, doch Vinae ließ sich nicht mehr so leicht fassen. Sie tat, womit er nicht rechnete, und packte sein Gesicht mit beiden Händen.
»Was?«, stieß sie hervor und zwang ihn, sie anzusehen. »Was begreife ich nicht, hm? Was?«
Seine Hände, welche die ihren von seinen Wangen hatten lösen wollen, sanken kraftlos herab. Die dunklen Augen wirkten mit einem Mal so ungewohnt traurig, dass sie einem Fremden zu gehören schienen.
Mit unruhiger Hand strich Ardemir eine Strähne aus ihrem Gesicht. Sein Kinn zitterte unter der Anspannung, während sein Blick der Bewegung folgte. Er betrachtete ihr Haar, ihre Lippen und sah ihr schließlich wieder in die Augen. »Du tust mir weh«, antwortete er ihr dann plötzlich aus rauer Kehle, was das Letzte war, womit sie gerechnet hätte.
Sie verstand nicht, was er damit meinte. Sie wusste nicht, wie sie in der Lage sein konnte, ihm weh zu tun, so sehr, dass er sich wie unter entsetzlichen Qualen wand. Doch der Grund erschien ihr im Moment auch unwichtig. Der gesamte Tag, all die Ereignisse und Erkenntnisse erschienen ihr plötzlich bedeutungslos. Da war nur noch das Gefühl in ihr, mit einem Mal zu wissen, was sie zu tun hatte, was sie immer schon hatte tun wollen. Etwas anderes zählte nicht, als sie ihm in die leeren Augen blickte.
Daher reckte Vinae sich nach vorn und legte ihre Lippen auf seine.
Seit sie ein Kind war, hatte sie davon insgeheim geträumt, doch die Vorstellungen kamen nicht an die Realität heran. Wie ein warmer Ball zog sich das Kribbeln in ihrem Bauch zusammen,brachte ihr Herz zum Stottern, ihren Atem aus dem Rhythmus. Es war die richtige Entscheidung gewesen, das wusste sie spätestens, als Ardemir seine Arme um sie legte und sie an das kühle Metall seiner Brust zog. Er reagierte mit Hitze und einem Keuchen, das ihr durch und durch ging, als er ihre Lippen öffnete und sie in seiner plötzlich auflodernden Leidenschaft geradezu verschlang. Ihre Hände glitten von seinen Wangen zurück in sein Haar, hielten sich an ihm fest, um von diesem plötzlichen Gefühlsrausch nicht niedergerissen zu werden.
Seine Arme pressten sie an sich, und gleichzeitig drängte sein Körper so stark gegen sie, dass sie beide fast zu Fall kamen. Niemals hätte sie mit solch einer Antwort auf ihren Kuss gerechnet, und es vernebelte ihr den Verstand, trieb sie fort in die Schwerelosigkeit – und traf sie als harter Schlag gegen die Schultern.
Vinae riss die Augen auf, doch sie konnte ihr Gleichgewicht nicht mehr halten. Ardemir stieß sie mit solcher Wucht von sich, dass ihr der Boden unter den Füßen fortgerissen wurde und sie gegen den nächsten Baum krachte.
»Mach das nie wieder!«, brüllte er sie an und vergrub beide Hände in sein Haar, als wolle er es sich ausreißen. »Kapierst du denn nicht? Du sollst mich nicht anfassen! Du sollst mich endlich in Ruhe lassen!«
Vinae sah ihn durch die wild ins Gesicht gefallenen Strähnen hindurch an und brachte kein Wort heraus. Sie konnte sich noch nicht einmal rühren, als sich Ardemir nun endgültig in den Sattel schwang und, ohne sie noch einmal anzusehen, an ihr vorbei in Richtung Averdun sprengte.
Vinae wusste schon, dass er da war, als sie die Nacht darauf in ihr Gemach trat, bevor sie es wirklich betreten hatte. Die Energieseiner Anwesenheit strahlte selbst durch Wände, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht auf der Stelle umzudrehen und sich irgendwo zu verkriechen.
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