Elfenkrieg
Drei Stunden hatte sie Daeron ertragen, der sich wohl verpflichtet gefühlt hatte, sie nach dem langen Ritt zu umsorgen. Genauso hatte sie sich Vorwürfe über ihren verspäteten Aufbruch anhören müssen und endlose Tiraden über ihren Beinahetod. Sie war nicht bester Laune, nachdem sie viele Stunden lang allein auf ihrem Heimweg über Ardemirs Verhalten, Eamons Worte und die Nebelpriesterin nachgedacht hatte. Und nun musste sie sich auch noch mit einem Dämon auseinandersetzen. Einzig das Wissen, dass er sie immer und überall finden würde, ließ sie doch eintreten.
Vielleicht war es besser, dieses Problem gleich hinter sich zu bringen, als später in ihrer Ruhe gestört zu werden. Er würde ja ohnehin nicht lockerlassen, ehe er hatte, was er wollte – was auch immer das sein mochte, was auch immer der Grund war, weshalb er jetzt hier wartete.
Gregoran saß auf ihrem Bett und blickte ihr entgegen – natürlich, schließlich hatte er mit Sicherheit ebenso ihr Kommen gespürt. Bis auf ein einziges schwaches Miranlicht über dem Bett war der Raum dunkel, und Vinae wollte auch kein zusätzliches Licht machen.
Sein kurzes, struppiges Haar wirkte wie angesengt und ließ sein Gesicht länger und schmaler erscheinen. Die schmutzig blonde Farbe, als wäre Ruß darin, sah im schwachen silbernen Schein noch fahler aus.
Im Allgemeinen sah er nicht besonders gesund aus, ausgemergelt und verbraucht – so wie damals im Kerker. Sein überdurchschnittlich hoher Wuchs verstärkte diesen schlaksigen Eindruck noch, als er sich erhob und auf sie zutrat.
Jetzt erst, viel zu spät, meldete sich die naturgegebene Vorsichtin ihr und überlagerte die Erschöpfung. Sie wusste nicht, ob es seine über das übliche Maß hinaus kränkliche Erscheinung war, der unstete Blick, der sich immer wieder auf sie richtete, oder das ständige Aneinanderreiben seiner Finger. Doch irgendetwas in ihr ließ sie an der Tür verharren und beschleunigte ihren Herzschlag. Vielleicht wurde ihr auch in diesem Moment bewusst, dass sie ihre Kette nicht trug.
Hatte sie nicht gesagt, dass sie ihm vertraute? Was hätte sich in den letzten Tagen ändern sollen? Er war hier, genauso wie schon so oft zuvor, nichts war anders.
»Du bist nicht sehr erfreut, mich zu sehen, schöne Seele.«
»Es waren anstrengende Tage.«
»Ich weiß.«
Vinae blickte auf und schob nun doch mit einer Hand den Riegel vor die Tür, wie sie es immer tat. Hätte er ihr etwas antun wollen, wäre sie schon längst tot.
»Ihr wisst immer alles«, meinte sie und ging in einem Bogen an ihm vorbei zur Kommode. »Damit erspart Ihr mir lange Erzählungen.«
»Ich weiß, was in Averdun geschehen ist.«
Die Haarbürste in ihrer Hand wurde plötzlich ungewöhnlich schwer. »Ihr wart nicht dort«, sagte sie, um sich selbst zu beruhigen, und drehte sich zu ihm um. »Oder?«
»Du meinst, weil deine Mutter sonst tot wäre?«
»Ja.«
Gregoran zuckte mit den knochigen Schultern, über die sein dunkles Hemd wie ein Zelt fiel, und zeigte ein unheimliches Lächeln. »Vielleicht ist meine Selbstbeherrschung größer, als ich dachte«, meinte er mit provozierend funkelnden Augen. »Vielleicht war es mir wichtiger, auf dich zu achten, als Rache an deiner Mutter zu üben?«
»War es so?«
»Die Nebelpriesterin wäre jetzt tot, hätte sie Erfolg gehabt. Und auch deine Mutter.«
»Das ist Antwort genug.« Vinae wandte sich wieder dem Spiegel zu und atmete langsam tief durch. Nur mit Mühe konnte sie ihre Hand heben und die Bürste durch ihr Haar führen. Sie konnte sich nicht erinnern, Gregorans Anwesenheit während ihres Kampfes gespürt zu haben, doch ihr wäre in ihrer Aufgabe, zu überleben, wohl noch anderes entgangen. Vielleicht hatte er sich auch im Hintergrund gehalten. Aber wieso war er gekommen? Er musste doch gewusst haben, dass er sich damit nur selbst quälte.
»Diese Priesterin ist stark«, holte Gregoran sie wieder aus ihren Gedanken, und nach der Hitze in ihrem Rücken zu schließen, war er näher gekommen, auch wenn sie ihn im Spiegel noch nicht sehen konnte. »Was wollt ihr als Nächstes gegen sie tun, schöne Seele? Sie mit Blümchen bewerfen?«
Vinae fuhr zu ihm herum und stellte erleichtert fest, dass er sich doch noch zwei Schritte von ihr entfernt befand. »Ich weiß nicht, was wir tun sollen«, fuhr sie ihn an und war gleichzeitig über sich selbst überrascht. »Diese Priester können tun und lassen, was sie wollen, und keiner von uns ist in der Lage, etwas dagegen zu
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