Elfenkrieg
doch hatte sie sich weder aufgeregt noch sonst irgendwie ihren Gefühlen Ausdruck verliehen.
»Ich verstehe«, war das Einzige gewesen, das sie auf diese Enthüllung gesagt hatte, und Vinae schien es so, als verstünde die Drachenelfe nun tatsächlich irgendetwas, das ihr vorher ein Rätsel gewesen war. Die einzige Frage, welche Aurün Vinae gestellt hatte, nämlich, ob Eamon Meara geliebt hatte, hatte Vinae ihr nicht beantworten können, auch wenn sie nicht glaubte, dass Eamon irgendwelche romantischen Gefühle für ihre Mutter hegte.
Nun ließ sie der Drachenelfe etwas Luft für sich und Zeit,allein in der Dunkelheit nachzudenken oder sich auch mit Eamon auszusprechen. Sie selbst wollte ohnehin nach der Priesterin sehen, und außerdem war sie froh, Nevliin endlich allein anzutreffen. Sie hatte etwas Wichtiges mit ihrem Freund zu besprechen. Ardemir oder Eamon konnte sie dabei nicht brauchen.
Auf einem natürlichen Vorsprung des Felsens hatten sie der Priesterin aus Moos, Laub und Farn ein Bett bereitet, auf dem die Frau nun immer noch ihren friedlichen Schlaf hielt. Das goldene Haar war wie ein See aus Licht um ihren Kopf und die Schultern gebettet, während die zuckenden Flammen des nahen Feuers ihren Schein über die weiße Haut warfen wie ein innerliches Glühen. Nur mit dem Leinen aus Derial bedeckt, erinnerte diese Gestalt an die exotischen Orakel, welche der Priesterin zum Opfer gefallen waren, einzig, dass von ihrer Haut nun kein grünlicher, sondern ein roter Schimmer ausging.
Anfangs war Vinae überhaupt nicht davon begeistert gewesen, die Priesterin zu heilen. Sie hatte gefürchtet, die mächtigste Magierin würde dabei erwachen, die Situation sofort ergreifen und sie alle vernichten, noch ehe sie ihr wieder das Halsband umlegen konnten. Doch all diese Sorgen waren unbegründet gewesen, denn die Priesterin hatte nicht vor, zu ihnen zurückzukehren.
So wachte Nevliin über ihren Schlaf wie der Hüter einer Göttin aus alten Menschensagen und verließ die Höhle nur äußerst selten. Am Rande dieses provisorischen Krankenlagers saß er auf dem Felsen und blickte ins Gesicht der Priesterin, als hätten sich seine Augen bereits darin eingebrannt.
Das schwache Licht des Feuers warf Schatten unter seine markanten Wangenknochen und ließ sein Gesicht dadurch noch schärfer wirken. Das orange Farbenspiel tanzte überseine Eiskristallhaut und verlieh den tiefschwarzen Augen einen unheimlichen Glimmer.
Immer noch verschaffte es der Anblick dieser beiden Seelenverwandten, Vinae zu berühren und sie zugleich zu erschüttern. Alle beide waren sie so unsagbar schön, dass sie nicht in diese Welt zu gehören schienen, da konnten noch nicht einmal Nevliins Narben etwas dagegen ausrichten. Sie gehörten zusammen, und jeder, der etwas anderes behauptete, konnte nur blind sein.
Ein Stein knirschte unter Vinaes Sohlen, doch Nevliin regte sich nicht. Er schien nur die Priesterin zu sehen, doch Vinae wusste, dass dies nicht der Fall war. Nevliin bekam sehr wohl alles mit, was um ihn herum geschah.
»Keine Änderung?«, fragte Vinae, als sie an den Felsen trat und der Priesterin die Hand auf die Stirn legte – sie war warm, aber nicht heiß.
Nevliin antwortete nicht, was bedeutete, dass keine Antwort vonnöten war. Hätte sich in der Zeit ihrer Abwesenheit irgendetwas getan, hätte er es ihr erzählt, aber so hielt er es für unnötig, zu sprechen.
Manchmal beneidete Vinae Nevliin darum, allen Regeln und Geboten der Höflichkeit und der guten Manieren zu entsagen und einfach nur noch auf sich selbst zu hören. All das unnötige Geschwätz hinter sich zu lassen und sich nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren erschien ihr als verlockend befreiend. Deshalb hielt sie sich auch gerne in Nevliins Gegenwart auf. Bei ihm hatte sie niemals das Gefühl, ein Gespräch erzwingen, verzweifelt nach Worten suchen zu müssen. Sie konnten auch einfach schweigend nebeneinandersitzen, ohne dass es unangenehm wurde.
Vinae flößte der Priesterin wortlos die Stärkungstinktur Tropfen für Tropfen ein, ehe sie sich neben dem Felsen auf denBoden kniete und das Thema anzusprechen versuchte, das ihr auf dem Herzen lag.
»Du hast den Grund für all die Aufregung da draußen wohl mitbekommen«, sagte sie, ohne eine Antwort zu erwarten. »Es spielt auch gar keine Rolle, was ihr alle davon haltet, denn ich lasse mich nicht davon abbringen. Meine Entscheidung hat einer ganzen Familie das Leben gerettet und wird auch zukünftig die
Weitere Kostenlose Bücher