Elfenkrieg
ihn zu. Der Vollmond erleuchtete ihren Weg durch Ampfer, Hahnenfuß und Schlangenwurz, die sich zwischen den Erlen auf dem feuchten Boden ausgebreitet hatten. Beinahe jeder Schritt ließ sie stolpern, und irgendwann büßte sie im Sumpf ihre Schuhe ein. Fluchend bahnte sie sich ihren Weg durch das Moor, in der Hoffnung, nicht plötzlich einen falschen Schritt zu begehen und zu versinken. Sie schob die ihr ins Gesicht hängenden Zweige beiseite, und obwohl der Drache nicht sehr weit von ihr entfernt aufgeschlagen war, meinte sie eine unüberwindbare Distanz zurückzulegen.
Keuchend und über und über mit Schlamm bespritzt kam Vinae schließlich bei ihm an, hielt jedoch sofort wieder inne, da der haushohe Körper plötzlich wie wild zu zucken begann. Als krabbelten Tausende kleine Tiere unter dem Panzer, begann der Drache sich zu verformen, bis er nicht mehr zu erkennen war. Dabei entwich ihm kein einziger Laut, immer noch befand er sich in tiefer Bewusstlosigkeit.
Einen Moment später war der Drache verschwunden.
Vinae blinzelte erschrocken und konnte einen Aufschrei nicht mehr unterdrücken.
»Ardemir!« Das Kleid bis zu den Oberschenkeln gerafft, stapfte sie die letzten Schritte auf ihn zu und fiel neben dem zusammengekrümmten Elfenkörper auf die Knie. »Ardemir!«, schrie sie immer wieder und drehte unter Aufbringung all ihrer verbliebenen Kraft den reglosen Körper um.
Bis auf den dunklen Schlamm, der seine weiße Haut bedeckte, war er unbekleidet und so kalt wie nach einem Bad im Schnee. Jede Wärme schien seinen Körper verlassen zu haben. Einen Moment lang schöpfte Vinae Hoffnung, dies könnte das Ende seiner Tortur sein, doch kaum hatte sie den Kopf ihres Freundes auf ihren Schoß gezogen, spürte sie die bedenkliche Hitze unter seiner Haut zurückkehren.
»Ardemir«, flüsterte sie und strich ihm die nassen Strähnen aus dem Gesicht. »Kannst du mich hören?« Sie ließ ihren Blick über seinen Körper wandern, doch das Licht des Mondes reichte nicht aus, um Verletzungen auszumachen. Auf den ersten Blick schien er unversehrt zu sein.
Ihr war ohnehin schleierhaft, wie ein elfischer Körper solch eine Wandlung, ohne Schaden zu nehmen, vollziehen konnte. Im Moment konnte sie nichts weiter tun, als ihn festzuhalten und zu warten. Sie wusste nicht, wo sie war. Hier gab es nichts als Bäume und Moor, und die nächste Siedlung könnte eineEwigkeit weit entfernt sein. Sie war auf sich allein gestellt, doch immerhin blieb ihr noch die Magie. Sie könnte versuchen, Ardemir zu heilen, auch wenn sie nicht wusste, ob es für so etwas wie ihn eine Heilung gab.
Immer noch zitternd vor Angst, legte Vinae die Hände auf seine mittlerweile glühende Brust und wollte den Zauber beginnen, als Ardemir plötzlich die Augen aufschlug.
Er sah sie direkt an, mit den ihr so vertrauten dunklen Augen, ohne jedes Grün darin. Sie hatte ihn nicht verloren!
»Ardemir«, flüsterte sie und legte ihre Hand auf seine Wange. »Kannst du mich hören? Ich bin es, Vinae.«
Ardemir blinzelte, und damit kehrte das Leben in seine Augen zurück.
»Vinae«, krächzte er und verzog das Gesicht, als bereitete ihm das Sprechen Schmerzen. »Ich musste ... dich wegbringen ... von ihm.«
Sie spürte, wie sich ihr der Hals zuschnürte.
»Bist du verletzt?«, stellte sie die dringendste Frage. Im Moment zählte nur, dass Ardemir wieder gesund wurde. »Hast du Schmerzen?«
Du bist gekommen, wollte sie eigentlich sagen, du bist gekommen, um mich aufzuhalten. Wie ist das nur möglich?
Ardemir schien etwas sagen zu wollen, jedoch nicht die richtigen Worte zu finden.
Vinae wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, wohin das alles noch führen sollte, und die Ungewissheit war schlimmer als alles, was bisher geschehen war. Sie wusste nicht, ob sich Ardemir jeden Moment wieder verwandeln würde, ob er danach denn jemals wieder ein Elf werden würde.
Schließlich schüttelte Ardemir den Kopf und wandte den Blick ab. »Es ist zu spät«, sagte er. »Es ist zu spät.«
Vinae sah ihn noch einen Moment lang an, ohne zu wissen,was genau er meinte, dann riss sie die Schleppe ihres Kleides ab und deckte ihn damit zu. »Ja«, sagte sie und legte ihren Kopf auf seine Brust. »Ich weiß.«
Das hämische Grinsen der Priesterin war noch schlimmer als der Schrecken über das stetig aus ihren Adern schwindende Blut. Eigentlich war Aurün davon ausgegangen, dass jetzt, wo die Nebelleute ohne Anführer waren, die Blutabnahmen bei Aurünliig aufhören
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