Elfenkrieg
das ganze Gespräch kaum zu kümmern schien. Er streckte lediglich ein ums andere Mal die Hand nach der Magierin aus und zog sie mit vor Aufregung glühenden Augen wieder zurück. Vinae kannte diese Art der Erregung an ihm – und diese bedeutete niemals etwas Gutes.
»Ihr bemüht Euch umsonst, Fürst Nevliin«, sprach ihre Mutter weiter. »Oder glaubt Ihr etwa, ich wäre so dumm, das Herz bei mir zu tragen? Einer der Schlangenschilde ist vorausgeritten. Ihr werdet es hier nicht finden.«
»Wieso sollte ich Euch glauben?«
»Welchen Grund hätte ich jetzt noch zu lügen? Das Herz ist für Euch unerreichbar. Menavor und Daeron haben es längst bei sich, genauso wie ein paar Ampullen Drachenblut, die sie in Ueden an sich genommen haben. Die Priester hatten wohl einen Überschuss und keine Zeit, das Blut zu verstecken – was wohl Euer Verdienst ist, nehme ich an.«
Nevliin sah Meara einige Augenblicke lang schweigend in die Augen, dann drehte er sich plötzlich um und ergriff seinen Schimmel am Zügel. »Ich glaube Euch«, sagte er und wandte sich schließlich an Gregoran. »Ich gehe zurück zu Aurün und besorge, was ich brauche, ehe ich dann nach Acre gehe und es zu Ende bringe. Ihr solltet Euch dort wohl nicht mehr blicken lassen.«
»Wartet!« Gregoran trat einen Schritt von ihrer Mutter weg und auf Nevliin zu. »Wir hatten eine Abmachung. Vergesst das nicht!«
Nevliin hielt inne, sah zu Gregoran, zu Meara und dann wieder zu Gregoran. »Ihr habt recht«, sagte er und trat auf dieMagierin zu, in deren Augen nun das erste Mal Angst zu lesen war. »Ich habe Euch mein Wort gegeben.« Er sah Meara in die Augen. »Und ich halte mein Wort.« Mit einem Ruck riss er ihr die Kette mit dem Schattenkristall vom Hals, und dann geschah alles gleichzeitig. Meara kämpfte mit Panik im Blick gegen ihre Fesseln. Funken stoben auf, als ihre Magie, die nun nicht mehr vom Kristall verhindert wurde, die Seile zerstörte. Nevliin schwang sich auf sein Pferd und sprengte davon, Vinae sprang aus ihrem Versteck hoch und streckte ihre Hand aus, als könne sie noch irgendetwas verhindern ... und Gregoran glitt beinahe unsichtbar, lediglich als Schatten, auf ihre Mutter zu.
»Nein!« Vinaes eigener Schrei gellte in ihren Ohren. Gregorans Gestalt nahm wieder Konturen und Farben an. Eine Handbreit von Meara entfernt hielt er inne und wandte sich ihr zu, mit rot leuchtenden Augen, in denen einen Moment lang purer Schrecken stand. Auch ihre Mutter hatte den Kopf in ihre Richtung herumgerissen und starrte sie voller Entsetzen an. »Lauf!«, schrie sie und breitete die Arme aus, als wolle sie Gregoran ein Ziel bieten.
Vinae wollte eben noch etwas sagen, Gregoran zur Vernunft bringen, da wandte der Grogon seinen Blick von ihr ab und trat einen Schritt nach vorn.
»Nein!« Vinae stolperte den Hang hinunter und sah noch, wie Gregoran durch ihre Mutter hindurchglitt, die daraufhin sofort in sich zusammensank.
Nein, nein, nein! Dieses eine Wort beherrschte all ihre Gedanken. Dies durfte einfach nicht wahr sein.
»Gregoran!« Vinae brüllte den Namen, den sie dem Dämon gegeben hatte, und sah, wie er neben dem Baum wieder zu einem Elfen wurde und sie anblickte. Das Glühen seiner Augen hatte ein wenig nachgelassen. Vielleicht hatte er beschlossen,sie als Nächste der Thesalis ebenso auszulöschen, doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Für ihn hatte sie keinen weiteren Blick mehr; sie stürzte auf ihre Mutter zu. Ihr Körper handelte wie von selbst, und ihr Geist schien ganz weit weg zu sein, als sie neben der Gestalt im weißen Kleid zu Boden ging und sie zu sich herumdrehte.
»Mutter?« Sie nahm das schmale Gesicht dieser wunderschönen Elfe in beide Hände und beugte sich darüber. »Mutter!« Ihre Hände tasteten nach einem Puls, die Magie erwachte in ihrem Inneren, und sie suchte nach etwas, das sie heilen konnte, doch sie konnte keinen Herzschlag finden. Die braunen Augen starrten sie an, tot, leer, voller Angst.
»Mutter!« Alles Rütteln des immer noch warmen Körpers half nichts. Meara rührte sich einfach nicht. »Mutter.« Ihre Stimme klang fremd, hoch und abgehackt – hysterisch. »Bitte!« Unter Aufbringung all ihrer Kraft hob Vinae ihre Mutter auf und drückte sie an ihre Brust. »Bitte, bitte, wach auf!« Ihre Hände flogen über die weiße Haut an den schlaffen Armen, über den Hals, das Gesicht. Sie suchte nach Verletzungen, die sie heilen konnte, obwohl sie doch längst wusste, dass alles umsonst war. Und doch
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