Elfenkrieg
Rascheln von Hufen im Laub sowie ein Schnauben.
Schneller diesmal, aber immer noch auf der Hut, kämpfte sich Vinae weiter durch das Dickicht in Richtung der Geräusche, bis der Boden vor ihr plötzlich abrupt abfiel. Eben noch waren da die dornenbewachsenen Sträucher gewesen, und einen Schritt weiter tat sich ein Abgrund auf. Kiesel rollten unter ihren Füßen hinweg und polterten in die Tiefe, als Vinae sich gerade noch an einem Zweig festhalten konnte und um ihr Gleichgewicht rang. Auch dort unten war der Wald dicht. Die Kronen mancher Bäume reichten beinahe bis zu ihr hoch. Ein Stück weiter nordwärts sah sie dunkle Flecken in der Schlucht. Schwarze Gewänder mit der Blutschlange darauf. Manche der Leiber hatten sich sogar in den Bäumen verfangen und hingen dort wie Obst in den Ästen.
Es waren Sonnentaler Krieger und Schlangenschilde, die einfach in den Abgrund geworfen worden waren. Doch von wem?
Ein weiteres Geräusch ließ Vinae herumfahren. War dies eine Stimme gewesen? Gleich dort drüben hinter dem Hang?
Vinae warf noch einen Blick zurück auf das abscheuliche Bild der in den Bäumen hängenden Toten und bewegte sich dann entlang dem Abgrund auf die Geräusche zu. Es mussten die Nebelpriester sein, wer sonst hätte das Sonnental angreifen sollen?
Weitere freilaufende Pferde begegneten ihr, die ohne Aufsicht den Waldboden nach Nahrung absuchten. Sie warteten wohl auf ihre Reiter, doch die würden nicht zurückkommen.
Die Stimme wurde allmählich deutlicher. Sie gehörte einem Mann und kam Vinae unerklärlicherweise bekannt vor. Doch niemanden, den sie kannte, konnte sie mit diesem furchtbaren Verbrechen in Verbindung bringen. Dann waren da noch eine zweite männliche Stimme und das Lachen einer Frau.
Auf allen vieren kroch Vinae den flachen Hang hinauf, ihre Finger gruben sich in die weiche Erde. Ihr Kleid verfing sich immer wieder in den vielen Pflanzen, die hier wuchsen, und bei jedem Geräusch meinte sie, ihr müsse das Herz stehenbleiben.
Dann erreichte sie endlich den Kamm und kroch noch das letzte Stück weiter vor, um hinter einem Strauch in das Tal zu blicken.
Nun setzte der rasende Schlag in ihrer Brust tatsächlich einen Moment lang aus. Vinae wusste nicht, ob sie entsetzt sein sollte, denn ihr Verstand begriff nicht wirklich, was sie da vor sich sah.
Da war ihre Mutter – an einen Baum gefesselt. Dann entdeckte sie Nevliin in seiner Silberrüstung, der die Satteltaschen der übrigen Pferde durchsuchte, genauso wie die am Boden liegenden Beutel.
Zu ihrem größten Erstaunen schlich Gregoran um ihreMutter herum wie ein Raubtier um seine Beute. Er schien nichts anderes wahrzunehmen, noch nicht einmal Vinae, obwohl er ihre Seele doch sofort erkannte. Es war lange her, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, doch er wirkte unverändert. Bis auf das rote Leuchten in den goldenen Augen.
Die drei zusammen zu sehen verblüffte sie über alle Maßen. Was war nur in den letzten Tagen passiert, in denen Vinae unterwegs gewesen war?
Nevliin jagte ein weiteres Pferd mit einem Klaps auf das Hinterteil davon. Nun bemerkte Vinae auch die Schleifspuren, die aus dem Tal zum Abgrund führten. Bestimmt hatte Gregoran die Krieger getötet und sie dann mit Nevliin beiseitegeschafft. Doch warum? Wie hatten sie so etwas Grausames nur tun können?
»Wo ist es?«, fragte Nevliin mit einem Blick zu ihrer Mutter. Seine Miene wirkte noch finsterer als sonst. »Ihr habt es vor zwei Tagen noch bei Euch gehabt. Wo ist es jetzt?«
Meara schüttelte nur den Kopf, was Nevliin abrupt von seinem letzten Beutel aufstehen ließ. »Ihr habt einen schweren Fehler begangen«, sagte er zu ihr, als er langsam auf sie zuging. »Meint Ihr wirklich, ich würde Euch die Kette nicht abnehmen und den Grogon hier auf Euch loslassen? Meint Ihr wirklich, ich würde Euer Leben schonen, nachdem ich eben erst die Anführerin der Nebelpriester getötet und Vanora sterbend in meinen Armen gehalten habe?«
Vinae öffnete den Mund, doch es war ihr nicht möglich, Atem zu holen. Was? Nevliin hatte die Priesterin getötet? Ausgerechnet Nevliin?
»Was interessiert Ihr Euch so sehr für das Herz?«, holte die Stimme ihrer Mutter Vinae aus ihrer Fassungslosigkeit. »Ihr betreibt diesen Aufwand doch nicht nur, um Aurüns Volk zu retten?«
»Das ist für Euch nicht von Interesse. Sagt mir nur, wo das Herz ist.«
Meara schob ihr Kinn vor. »In Acre«, gab sie ungerührt zurück, auch wenn ihr Blick immer wieder auf Gregoran fiel, den
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