Elfenkrieg
den Tisch zu ihr vor, »wir tragen Rüstungen aus Drachenpanzer. Doch diese stammen noch aus dem Drachenkrieg. Kein Einziger von uns besitzt eine neue Rüstung, Vinae. Wie sollten wir auch? Die Drachenangriffe trafen uns völlig unvorbereitet.«
»Anfangs.« Vinae zog ihre Hand zurück und stand auf. »Der erste Angriff liegt Monate zurück. Wenn du sagst, dass du nichts davon wusstest, glaube ich dir. Aber du kannst nicht für die Königin sprechen.«
Nun erhob sich auch Ardemir. »Sie ist vor allem meine Cousine, und ich kenne sie«, erwiderte er erbost.
»Vielleicht nicht so gut, wie du denkst.«
»Aber Daerons Wort ist zu trauen?«
»Ja ... Nein.« Vinae hob ihre Hände, und es sah aus, als würde sie sich mit den zu Krallen geformten Fingern über die Wangen kratzen wollen, doch sie schloss sie zur Faust und presste sie an die Schläfen. Mit geschlossenen Augen verharrte sie einige Augenblicke, ehe sie ihn wieder ansah. »Es ist nicht nur Daeron allein«, sagte sie schließlich ruhig. »Sein Bruder und meine Mutter sind genauso schuldig, du musst also nicht immer nur auf ihn losgehen.«
Ardemir öffnete seinen Mund, um zu widersprechen, doch Vinae hob ihre Hand und ließ ihn verstummen. »Du musst mir auch nicht ständig unter die Nase halten, wie furchtbar Daeron ist, das weiß ich wohl selbst am besten, meinst du nicht?« Sie ließ ihn nicht antworten. »Etwas anderes könnt du, Nevliin und alle anderen ohnehin nicht. Ihr kommt alle paar Wochenzu mir, um für die Königin zu spionieren, um nachzuprüfen, ob die Fürsten sich auch artig benehmen. Ihr glaubt, ihr könnt mir etwas über das Sonnental erzählen, und wisst alles besser, und das bin ich leid.« Sie musste erneut die Hand heben, um ihn von einer Erwiderung abzuhalten. »Ihr wisst nichts über uns oder unser Leben hier. Ich kämpfe allein, und nur weil es euch jetzt plötzlich auch betrifft, mischt ihr euch ein. Ansonsten ist es doch sehr bequem, einfach wegzusehen.«
»Vin, du weißt, ich kann nicht ...«
»Ich weiß.« Sie schüttelte enttäuscht ihren Kopf. »Es war noch nie anders. Du hast keine Zeit für unsere Probleme hier, und ich werde weiterhin allein kämpfen. Ich komme damit klar, aber dann hör auch auf mich, wenn ich dir sage, dass die Drachen nicht hier sind.«
»Wir müssen uns sicher sein.«
»So etwas würden sie nicht tun.«
Ardemir lachte. »O Vin, was müssen sie noch alles anstellen, um dich davon zu überzeugen, wie grausam sie sind?«
»Nichts. Das weiß ich selbst gut genug, aber auch für sie gibt es Grenzen. Auch sie sind nicht nur böse.« Sie blickte zum Fenster und seufzte. »Ich werde natürlich weiterhin die Augen offenhalten und versuchen, mehr herauszufinden«, sagte sie dann in versöhnlichem Ton. »Ich werde in einer Woche abends wieder hier sein. Wenn ihr mit mir sprechen wollt, dann kommt hierher.«
Ardemir sank zurück auf seinen Stuhl und strich sich das verfluchte Haar aus dem Gesicht, das ihm seit der Begegnung mit seinem Dolch ständig in die Stirn hing. »Wenn das alles mit den Drachen vorbei ist«, begann er, doch Vinae ließ ihn wieder nicht zu Ende sprechen.
»Wirst du andere Aufgaben übernehmen«, beendete sie seinen Satz. »Du gehörst nicht ins Sonnental. Dein Platz ist inLurness. Ich weiß das, aber du musst auch verstehen, dass meiner hier ist.«
»Wenn das Problem mit den Drachen gelöst ist, werde ich dir helfen.«
Vinae schenkte ihm ein trauriges Lächeln. »Nein, wirst du nicht.«
Niemand konnte sie aufhalten. Eamon redete beschwichtigend auf sie ein, versicherte ihr, dass er nichts von den immer noch gefangenen Drachen gewusst hatte, als er König gewesen war, und auch Ardemir sagte dasselbe. Doch das genügte ihr nicht. Für Aurün waren es nicht nur irgendwelche fremde Drachen. Sie kannte sie alle beim Namen! Sie hatte sie für tot gehalten, und nun erfuhr sie, dass es ein viel schlimmeres Schicksal war, das ihre Landsleute ereilt hatte. Und dass die Königin Liadan daran beteiligt war.
Vom Weltentor in Lurness, dort, wo einst der Dunkelwald die Burg vor Feinden geschützt hatte und jetzt das hektische Treiben der neu erbauten Stadt Sincara herrschte, lief Aurün direkt zur Festung. Über eine prachtvolle, mit geschnitzten Figuren verzierte Zugbrücke aus Eichenholz gelangte sie über die Drachenschlucht in den äußeren Hof. Ohne die Blicke der Wachen oder der zahlreichen Knechte und Bediensteten zu beachten, setzte sie ihren Weg die schmale Gasse hinauf fort, um vom
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