Elfenkrieg
Inneren Hof aus in die Burg zu gelangen.
Eamon lief neben ihr her, während Nevliin und Ardemir irgendwann zurückgeblieben waren. Sie betraten soeben die Eingangshalle, als er sie nach mehrmaligem Auffordern, stehen zu bleiben, an der Schulter packte und sie dazu zwang.
»Du solltest dich beruhigen, bevor du zu ihr gehst«, sagte Eamon und blickte Aurün dabei tief in die Augen, als wisse er, welche Wirkung sein gütiges Antlitz hatte. »Liadan ist deineVerbündete – die einzige, die du hast, und vielleicht solltest du dir vorher überlegen, was du sagen willst.«
»Ich weiß genau, was ich sagen werde«, fuhr sie ihn an und riss ihren Arm hoch, um sich zu befreien. »Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Was im Sonnental geschieht, ist furchtbar!«
»Unbedachte Handlungen ändern aber auch nichts daran.« Eamon winkte einem der Bediensteten, der etwas abseits auf mögliche Befehle wartete, und forderte ihn auf, die Königin über ihr Eintreffen in Kenntnis zu setzen. Eamon bat um einen Empfang in ihren Gemächern, während Aurün nur wutschnaubend neben ihm stand.
»Es ist genau so, wie Ardemir es gesagt hat«, fuhr er schließlich wieder an sie gewandt fort. »Dein Volk war in Zeiten des Drachenkrieges unser Feind, und mit dem Panzer von Gefangenen wurden Rüstungen hergestellt. Damals! Du weißt selbst, dass die Lichtelfen auch nach dem Krieg noch gegen Drachen vorgingen. Das Schattenreich hatte nichts damit zu tun, und Liadan hat sicher nicht gedacht, dass nach all der Zeit noch irgendjemand Drachen gefangen hält. Sie war zu jener Zeit ja noch nicht einmal geboren, Aurün, und sie ist auch noch nicht lange Königin. Die Taten des einstigen Lichtreichs waren uns bis vor kurzem verschlossen.«
»Das sagst du.« Aurün hasste es, dass noch nicht einmal Eamon zu ihr stand. Er war der Einzige an ihrer Seite, der ihr noch geblieben war. »Du kannst nicht wissen, was sie getan hat, während du in der Menschenwelt warst. Du kannst nicht wissen, ob sie nach den ersten Drachenangriffen mit Daeron gehandelt hat.«
»Nein. Aber ich kenne meine Schwester.«
»Das werden wir ja sehen.«
Eamon schüttelte den Kopf und sah sie an, als wäre sie hierdie Verbrecherin. Wieso konnte er nicht verstehen, dass sie die Letzte ihres Volkes in Freiheit war und die Einzige, die etwas dagegen unternehmen konnte? Wieso konnte er ihr nicht beistehen? Sie brauchte ihn, und er interessierte sich nicht dafür. Ständig war er abwesend, in irgendwelchen Gedanken versunken. Als wäre die Gefangenschaft ihrer Freunde nichts, was seine Aufmerksamkeit verdiente.
Genauso jetzt. Er beachtete sie noch nicht einmal wirklich und sah sich in der Halle um, als gäbe es hier irgendeinen Schatz zu entdecken.
Ihr Volk wurde in diesem Moment gequält! Gab es denn niemanden, der dies ernst nahm?
Das Öffnen einer Tür ließ Aurün aufhorchen. Sie bemerkte, dass sich Eamon neben ihr anspannte, und als sie in die Richtung des Geräusches blickte, erkannte sie Liadan, die nicht in ihren Gemächern wartete, sondern hierhergekommen war.
Mit strahlenden Augen, aber auch einer winzigen Spur von Misstrauen oder Angst stand die Königin am anderen Ende der Halle. »Eamon«, hauchte sie schließlich ungläubig und würdigte Aurün nicht eines Blickes. Das prunkvolle, mitternachtsblaue Kleid mit beiden Händen gerafft, ging Liadan eilig auf ihren Bruder zu, und auch Eamon setzte sich in Bewegung. Zuerst noch langsam, doch dann lief er ihr entgegen. Er breitete seine Arme aus und fing seine Schwester auf, die ihm förmlich entgegenflog. Das Gesicht an ihrem Hals vergraben, drehte er sich mit ihr im Kreis. Aurün stand immer noch reglos an derselben Stelle und beobachtete das absonderliche Bild. Ein schmerzhafter Stich fuhr durch ihr Herz. Das Gefühl, verraten zu werden, ließ sie nicht los.
Liadan hatte womöglich etwas mit den grauenhaften Taten zu tun, und Eamon stellte sie noch nicht einmal zur Rede. Hatteer nicht vor kurzem noch gesagt, dass er ihr den Verrat vom Wiedervereinigungskrieg niemals verzeihen würde? Was sollte das jetzt?
»Du bist gekommen«, sagte Liadan, nachdem Eamon sie wieder hinuntergelassen hatte. »Ich bin so froh, dass du hier bist. Nach all der Zeit.«
Eamon drückte seine Schwester noch einmal an sich. »Du bist wahrlich eine Königin«, murmelte er, während sich Aurün langsam näherte. Es sah ganz so aus, als wäre sie wieder einmal allein zurückgeblieben, aber das machte nichts. Sie war jetzt ebenso eine Königin, sie war
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