Elfenkrieg
fragtenicht – so wie Eamon –, wieso Aurün nicht schon früher davon erzählt hatte. Solch unnütze Abschweifungen sahen ihr nicht ähnlich, stattdessen blieb sie sachlich beim Thema und versuchte, die neugewonnenen Informationen zu verwerten.
»Die Aufnahme von Drachenblut ist doch bestimmt nicht ohne Risiko«, meinte sie nachdenklich, als sie sich wieder auf der untersten Treppenstufe auf einem der Sitzpolster niederließ. »Wer könnte zu so etwas fähig sein?«
»Mächtige Magier«, meinte Eamon. Er warf einen kurzen Blick auf Aurüns Arm, um zu überprüfen, ob die Blutung aufgehört hatte, und wandte sich schließlich wieder seiner Schwester zu. »Magier, die etwas gegen die Orakel haben und sich zu verstecken wissen.«
»Aber auch eine geringe Menge des Drachenblutes kann einen Elfen töten«, warf Aurün ein, während sie den blutigen Stofffetzen abnahm. »Ich weiß nicht, wie sie das anstellen. Nur mit Magie? Da muss mehr dahinterstecken. Das Blut müsste verändert werden, aber ohne die Wirkung auf das Herz zu verlieren.«
»Womit wir wieder bei dem großen ›Wer?‹ angelangt sind.« Eamon rieb sich mit der Hand über die Augen. Er sah tatsächlich müde aus, und Aurün sorgte sich, dass er die Verletzungen – trotz der Heilerin – noch nicht richtig überstanden hatte. Nevliin hatte ihn übel zugerichtet.
»Es kann nur jemand aus dem einstigen Lichtreich sein«, antwortete sie schließlich. »Und wenn ich an Magie denke, kommt mir immer wieder der Name ›Thesalis‹ in den Sinn.«
»Meara Thesalis und die Fürsten?« Liadan nickte nachdenklich. »Sie wären dazu in der Lage, besonders da Fürst Daeron das Blut verändern könnte. Er versteht sich auf Elixiere. Doch Vinae konnte nichts dergleichen herausfinden. Nichts zeugt von einem Aufenthalt der Drachen im Sonnental. Wederin den unterirdischen Gewölben noch im Himmel sind welche zu sehen.«
»Doch.« Aurün warf der Königin einen kühlen Blick zu. »Dort unten sind Drachen, und auch wenn sie nichts mit dem eigentlichen Verschwinden meines Volkes zu tun haben, müssen sie befreit werden.«
»Verzeiht mir, Aurün«, entgegnete Liadan gelassen, »aber ich glaube, wir sollten uns auf das eigentliche Problem konzentrieren. Die Drachen, von denen Ihr sprecht, sind bereits seit geraumer Zeit gefangen, und fordern wir die Fürsten deswegen heraus, sinken unsere Möglichkeiten, etwas über die dringendere Gefahr herauszufinden. So leid es mir tut, wir dürfen den Fürsten keinen Grund zu Misstrauen geben – sollten sie denn tatsächlich etwas damit zu tun haben.«
»Ihr schlagt also vor, dass ich einfach die Augen vor den Qualen meiner Leute verschließe.«
»Ja.«
Aurün verschlug es den Atem. Mit solch direkter Antwort hatte sie nicht gerechnet, und sie wusste auch nicht, was sie darauf erwidern sollte. Liadans Gründe mochten ja vernünftig klingen, und doch waren sie nicht zu akzeptieren. »Ich werde etwas dagegen unternehmen«, sagte sie schließlich entschlossen. »Ich erwarte keine Hilfe.«
»Liadan hat recht«, kam es plötzlich von Eamon, der ihr damit ein weiteres Mal einen Hieb versetzte. »Du bist die einzige freie Drachenelfe, Aurün. Die Königin! Du kannst nicht so einfach zu den Fürsten spazieren und sie zur Herausgabe deiner Freunde zwingen. Schon gar nicht, wenn sie tatsächlich etwas mit dem Verschwinden deines Volkes zu tun haben. Außerdem hat Liadan auch in einem anderen Punkt recht: Du bringst Vinae in Gefahr.«
Schlimmer hätte es nicht kommen können. Aurün war nichtentgangen, wie Eamon die kleine Thesalis betrachtet hatte. Was war nur mit ihm los, dass er stets von diesem zarten und unschuldig wirkenden Mädchen angezogen wurde? Zuerst die Halbelfe und jetzt auch noch eine Thesalis. Konnte er denn nicht sehen, dass er sich mit seinen Leidenschaften ins Verderben stürzte?
»Die Drachenelfen sind in Gefahr«, erwiderte sie mit leicht zitternder Stimme. »Verstehst du das denn nicht?«
»Und wie sieht dein Plan aus?«
»Ich ...« Aurün schüttelte den Kopf. Sie hatte keinen Plan. Sie war ratlos und allein. »Ich werde mir etwas einfallen lassen«, antwortete sie daher, wobei sie es hasste, sich in Liadans Gegenwart stets so klein und unwürdig zu fühlen. »Ich werde mit Vinae sprechen«, fügte sie noch hinzu. »Vielleicht kann sie mich zu ihnen bringen.«
»Was für sie ein großes Risiko ist.«
Aurün fuhr zu Eamon herum. Ihr lagen mehrere Bemerkungen auf der Zunge, doch sie wollte sich hier keine
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