Elfenkuss
schnell kalt – jedenfalls hier nicht. Wenn wir irgendwohin fahren, wo Schnee liegt, fühle ich mich hundeelend, aber dieses Wetter gefällt mir echt gut.« Sie lächelte verlegen. »Meine Mom behauptet, ich wäre kaltblütig.«
»Hast du’s gut. Ich bin vor fünf Jahren aus L. A. hergezogen und habe mich immer noch nicht dran gewöhnt.«
»Also, so kalt ist es auch nicht.«
»Okay«, gestand David grinsend ein, »aber auch nicht richtig warm. Nachdem wir ein Jahr hier gewohnt hatten, habe ich mir die Wetteraufzeichnungen angesehen.
Wusstest du, dass der Temperaturunterschied beim Durchschnittswert zwischen Juli und Dezember nur vierzehn Grad beträgt? Das ist doch echt mickrig.«
Sie schwiegen, während David ein Sandwich aß und Laurel mit der Gabel im Salat stocherte.
David brach das Schweigen: »Meine Mom hat mir zwei Muffins eingepackt. Möchtest du einen?« Er hielt ihr einen appetitlichen Muffin mit blauem Zuckerguss hin. »Selbst gemacht.«
»Nein, danke.«
David schaute zweifelnd von ihrem Salat zu seinem Muffin. »Tja, dann.« Als Laurel merkte, was David dachte, musste sie seufzen. Warum kamen die Leute immer auf die gleiche Idee? Sie war doch nicht die Erste auf diesem Planeten, die lieber Gemüse mochte. Laurel tippte mit dem Fingernagel an ihre Sprite-Dose. »Mit Diät hat das nichts zu tun.«
»Ich habe doch gar nicht …«
»Ich bin Veganerin«, unterbrach ihn Laurel. »Ziemlich kompromisslos.«
»Ach, echt?«
Sie nickte und lachte dann verkrampft. »Von Gemüse kann man gar nicht genug kriegen, oder?«
»Wahrscheinlich nicht.«
David räusperte sich und fragte: »Wann bist du denn genau hergezogen?«
»Im Mai. Ich habe viel im Laden meines Vaters geholfen. Er hat den Buchladen in der Innenstadt übernommen.«
»Echt?«, fragte David. »Da war ich letzte Woche drin. Ein toller Laden – aber ich kann mich nicht erinnern, dich gesehen zu haben.«
»Daran ist meine Mom schuld. Sie hat mich die ganze Woche von einem Geschäft zum nächsten geschleppt, um alles für die Schule zu kaufen. Früher bin ich zu Hause unterrichtet worden, deshalb glaubt meine Mom, ich hätte nicht genug Schulzeug.«
»Zu Hause?«
»Ja. Dieses Jahr zwingen sie mich, auf eine öffentliche Schule zu gehen.«
Er grinste. »Da bin ich aber froh.« Nach einem kurzen Blick auf sein Sandwich fragte er: »Vermisst du dein altes Zuhause?«
»Manchmal.« Sie lächelte leise. »Aber es ist schön hier. Der Ort, aus dem wir kommen, Orick, ist total klein, da wohnen nur fünfhundert Leute.«
»Wow.« David kicherte. »L.A. ist unwesentlich größer.«
Sie lachte und verschluckte sich an ihrer Sprite.
David sah so aus, als wollte er noch was fragen, aber es schellte, und so lächelte er sie nur an. »Sollen wir es morgen wieder so machen?« Er zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Vielleicht zusammen mit meinen Freunden?«
Laurel wollte schon instinktiv Nein sagen, aber sie war gern mit David zusammen. Außerdem hatte ihre Mutter auch deshalb darauf bestanden, sie in eine Schule zu stecken, damit sie mehr mit Gleichaltrigen
unternahm. »Gerne«, sagte sie also, bevor sie den Mut verlieren konnte, »das wird bestimmt nett.«
»Super.« Er stand auf, streckte die Hand aus, zog sie hoch und lächelte schief. »Na dann … bis später.«
Sie sah ihm nach. In der Jacke und der weiten Jeans sah er ganz normal aus, aber sein Gang strahlte eine ungewöhnliche Selbstsicherheit aus. Einen Augenblick lang war sie neidisch.
Eines Tages würde sie vielleicht auch so weit sein.
Laurel warf ihren Rucksack auf die Theke und schwang sich auf einen Barhocker. Sarah, ihre Mutter, schaute von dem Brotteig hoch, den sie gerade unter den Fingern hatte. »Und, wie war’s in der Schule?«
»Scheiße.«
Sie hörte auf zu kneten. »Nicht fluchen, Laurel.«
»Wenn es aber so war. Es gibt kein besseres Wort dafür.«
»Das wird schon, Schatz.«
»Alle glotzen mich an wie den letzten Freak.«
»Sie gucken, weil du neu bist.«
»Ich sehe anders aus als die.«
Ihre Mutter grinste. »Wäre es dir andersrum lieber?«
Laurel verdrehte die Augen, musste aber zugeben, dass es eins zu null für ihre Mutter stand. Sie hatte zwar Privatunterricht gehabt und war vielleicht sehr behütet aufgewachsen, aber sie wusste genau, dass sie aussah wie die Jugendlichen in den Zeitschriften und im Fernsehen.
Sie hatte nichts dagegen.
Unter der Pubertät hatte sie nicht sonderlich gelitten. Ihre beinahe durchsichtige weiße Haut war von
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