Elfenkuss
niederprasselte.
»Ich habe dich nie verloren gegeben, Laurel. Ich habe geschworen, dass ich einen Weg finde, in dein Leben zurückzukehren. Deshalb bin ich Wachtposten geworden, so früh es eben ging, und habe Himmel und Welt in Bewegung gesetzt, um an dieses Tor versetzt zu werden. Jamison hat mir geholfen. Ich schulde ihm mehr, als ich je zurückzahlen kann.« Er hob ihre Hände zu seinem Gesicht und küsste sanft ihre Finger. »Ich habe dich jahrelang beobachtet und zugesehen, wie du
von einem kleinen Mädchen zu einer ausgewachsenen Elfe herangewachsen bist. In unserer Kindheit waren wir die besten Freunde und in den letzten fünf Jahren war ich beinahe täglich bei dir. Ist es so unverständlich, dass ich mich in dich verliebt habe?«
Laurel schwieg, es gab nichts zu sagen.
Tamani lachte leise. »Du bist so gern in den Wald gekommen und hast dich an den Bach gesetzt, um zu singen und Gitarre zu spielen. Dann saß ich immer auf einem Baum und habe dir zugehört. Das war meine Lieblingsbeschäftigung. Du singst so schön!«
Sein Pony hing jetzt aufgeweicht und nass über seiner Stirn. Laurel ließ ihren Blick über seinen Körper schweifen: die glatte schwarze Kniehose, das grüne Hemd, das eng an seiner Brust anlag, und das symmetrische Gesicht, das vollkommener war, als es ein Menschenjunge je ersehnen konnte. »So lange hast du auf mich gewartet?«, fragte sie flüsternd.
Tamani nickte. »Ich warte auch noch länger. Eines Tages kommst du nach Avalon, und wenn es so weit ist, zeige ich dir, was ich dir in meiner Welt zu bieten habe, in deiner Welt. Du wirst mich erwählen, du wirst mit mir nach Hause gehen.« Er hielt ihr Gesicht in seinen Händen.
Tränen brannten in ihren Augen. »Das kannst du nicht wissen, Tamani.«
Er fuhr sich mit der Zunge nervös über die Lippen, bevor ein gezwungenes Lächeln seine Züge erhellte. »Nein«, sagte er heiser. »Das kann ich nicht.« Seine
Hände um ihr Gesicht, die eben noch kalt wie Stein gewesen waren, glühten nun im Einklang mit seinem Blick, während er mit den Daumen ihre Wangenknochen nachzeichnete. »Aber ich muss daran glauben; ich muss darauf hoffen.«
Laurel hätte ihn gern gebeten, realistisch zu bleiben und nicht auf etwas zu hoffen, was sich vielleicht nicht erfüllen würde. Aber sie brachte es nicht fertig, ihm das zu sagen. Es klang sogar in ihren Gedanken falsch.
»Ich werde warten, Laurel, so lange, wie ich eben warten muss. Ich habe dich nie verloren gegeben.« Er drückte seinen Mund auf ihre Stirn. »Und werde es nie tun.«
Tamani zog das Mädchen eng an sich und schwieg mit ihr. Einen vollkommenen Augenblick lang gab es außerhalb dieser kleinen Stelle auf dem Pfad niemanden sonst auf der Welt. »Na los«, sagte Tamani und zog sie noch mal an sich. »Sonst macht sich deine Mutter noch Sorgen.«
Sie liefen Hand in Hand den kurvigen Weg entlang, bis Laurel sich wieder zurechtfand. »Hier verlasse ich dich«, sagte Tamani etwa dreißig Meter vom Waldrand entfernt.
Laurel nickte. »Es ist ja nicht für immer«, versprach sie noch mal.
»Ich weiß.«
Sie zog an der dünnen Silberkette, bis sie den Sämlingsring sehen konnte, der ihr jetzt noch viel mehr bedeutete. »Ich werde an dich denken, das habe ich ja schon gesagt.«
»Und ich denke an dich, wie ich es seit jeher Tag für Tag getan habe«, sagte Tamani. »Auf Wiedersehen, Laurel.«
Als er sich umdrehte und tiefer in den Wald eindrang, folgte Laurel ihm mit Blicken. Bei jedem Schritt ging ihr Herz ein Stückchen mit. Gleich würde sein grünes Hemd hinter einem Baum verschwinden und Laurel kniff vorsichtshalber die Augen zusammen.
Als sie die Augen wieder öffnete, war Tamani verschwunden.
Es fühlte sich an, als hätte der Wald mit ihm seinen Zauber verloren, das Leben, das sie rund um sich spürte, die Magie, die durch die Pforte sickerte. Nun erschienen ihr die Bäume leblos und leer.
»Warte«, flüsterte sie. Sie machte einen Schritt und fing dann an zu rennen. »Nein!« Der Schrei drang aus tiefster Kehle, als sie die Zweige wegschob, um schneller voranzukommen. »Warte, Tamani!« Sie lief einen Weg entlang, bog in einen anderen und suchte alles ab. »Tamani, bitte!« Sie rannte schneller, so unbedingt wollte sie einen Blick auf sein dunkelgrünes Hemd erhaschen.
Dann war er da! Er drehte sich zu ihr um, seine Miene zeigte, dass er auf der Hut war. Sie blieb nicht stehen, sie lief nicht langsamer. Als sie bei ihm war, packte sie sein Hemd mit beiden Fäusten, zog ihn an
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