Elfenlicht
sollte er mit den Kindern zusammen den Dung der Hornschildechsen sammeln. Er sollte für sein Essen und seinen Schlafplatz arbeiten. Zieh ihn auf wie einen von uns.«
»Aber er ist doch keiner von uns.«
Elija lachte. »Ich glaube, zuerst musst du dich von deinen festgefahrenen Vorstellungen befreien. Du hast es immer noch nicht begriffen, Ganda. Er erinnert sich an nichts mehr. Er ist ein unbeschriebenes Blatt. Ollowain ist tot. Du entscheidest, wer nun geboren wird.«
»Ist das nicht unrecht?«
»Ist es unrecht zu sein wie wir? Wenn du es nicht um deinetwillen tust, dann tue es für unsere Sache. Ein Elf, der denkt und fühlt wie ein Lutin! Und einer, dessen Wort unter den Seinen Gewicht hat. Auch wenn sein Verstand sich aufgelöst hat, sieht er ja noch immer aus wie Ollowain. Sie werden ihm zuhören, weil er ein Elf ist. Aus seinem Munde werden sie Wahrheiten akzeptieren, die wir niemals aussprechen dürften. Begreifst du, was für ein Geschenk er ist? Durch ihn werden die Schranken zwischen Herren und Dienern aufgebrochen. Ein Elf, der sich der Sache der Rotmützen verschrieben hat!« Er packte sie bei den Armen. »Ganda, sieh doch, was für einen Schatz wir in Händen halten!«
»Vielleicht bin ich zu traurig und zu erschöpft, um das Wunder erkennen zu können, das mir widerfahren ist«, sagte sie ruhig. »Du hast Recht, ich habe ihn geliebt. Gegen jede Vernunft.« Sie lächelte melancholisch. »So ist das wohl mit der Liebe. Eine Zeit lang habe ich ihn auch gehasst ...«
»Glaubst du denn nicht, dass du in ihm jetzt das wiedererwecken kannst, was du geliebt hast? Diesmal jedoch unbeschwert von seinen Vorurteilen.«
»Und wenn ich ihn geliebt habe, weil er mich trotz seiner Vorurteile gegen unser Volk ritterlich behandelt hat?«
Elija stöhnte. »Das ist doch verrückt. Du denkst zu verwickelt. Und was nutzt es, um das zu trauern, was für immer verloren ist. Blicke in die Zukunft! Denke daran, was du gewinnen kannst. Was er deinem ganzen Volk zu geben vermag, wenn du ihn nach unseren Vorstellungen erziehst.«
»Ich danke dir für deine Anteilnahme. Wahrscheinlich hast du Recht. Verzeih mir, wenn ich mich aufführe wie eine weinerliche alte Jungfer. Wirst du mir helfen mit ihm?«
»Du kannst jederzeit zu mir kommen.« Sie beugte sich vor und gab ihm einen flüchtigen Kuss. »Danke. Ich habe dich falsch eingeschätzt, Elija.« Sie ging zur Herde zurück. Der Kommandant sah ihr nach und war überrascht über die widerstreitenden Gefühle, die er empfand. Ihr Kuss und ihre Dankbarkeit hatten ihn zutiefst aufgewühlt. Er fühlte sich schäbig, weil er sie benutzte. Er würde ihr niemals sagen, was wirklich mit Ollowain geschehen war. Wie er ihn ermordet hatte, aus niedersten Motiven. Was dachte er da! Ollowain war ein bedeutender Elf gewesen! Und eine große Gefahr! Er hatte ihn beseitigen müssen, um die neue Weltordnung nicht zu gefährden. Und nun gehörte er ihm in einem Ausmaß, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.
DER TÄNZER IM SCHNEE
Kadlin schob Björns Arm zur Seite und erhob sich vorsichtig aus dem Bett. Der steinerne Fußboden war eisig. Hastig schlüpfte sie in ihre Kleider und spähte durch den Spalt im hölzernen Fensterladen. Bald würde es dämmern. Sie war gespannt, ob der Baumeister wieder tanzen würde. Ein seltsamer, verschlossener Kerl war dieser Gundaher. Ein Fremder, der vor langer Zeit weit aus dem Süden gekommen war. Und obwohl er ein guter Freund des Königs war, war er immer ein Fremder geblieben. Sein Geschick und sein Eifer hatten die Festung auf dem Pass entstehen lassen. Er wusste alles über Steine und wie man sie zu wunderbaren Bauwerken fügte.
Vorsichtig öffnete Kadlin die Tür. Lächelnd blickte sie zu Björn. Er hatte sich von dem Kampf mit dem Schneelöwen fast gänzlich erholt. Und er war ein wunderbarer Liebhaber. Wenn nur sein Vater nicht wäre! Herzog Lambi ließ keine Gelegenheit aus, schlecht über sie zu reden. Eine Hure nannte er sie, die sich ins Bett seines Sohnes geschlichen hatte. Dass sie Nacht für Nacht an diesem Bett gewacht hatte, bis es Björn besser ging, legte er ihr als Heuchelei aus.
Heiße Wut stieg in ihr auf, wenn sie an das hässliche Monstrum dachte. Kaum anschauen konnte man 'Lambi ohne Nase', wie ihn viele Männer heimlich nannten.
Kadlin eilte die Treppenstufen zum Wehrgang hinauf. Der verharschte Schnee knirschte unter ihren Stiefeln. Jeden Abend kam der Frost, dabei hatte der Herbst gerade
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