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Elfenliebe

Elfenliebe

Titel: Elfenliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
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Er hielt inne, das einzige Anzeichen von Schwäche, das er sich während des Gesprächs leistete. »Ich will dich eine Weile nicht sehen. Ruf mich nicht an. Wenn … ich so weit bin, weiß ich, wo ich dich finde.«
    Laurel sah zu, wie er fortfuhr. Dann brach sie in Tränen aus. Einen Augenblick lang suchte sie den Waldrand
ab, aber auch Tamani war fort. Sie setzte sich ins Auto und legte schluchzend die Stirn auf das Lenkrad. Wieso war alles schiefgegangen?
    Laurel saß auf ihrem Bett, hielt die Gitarre auf dem Schoß und sah den Schatten zu, die über ihre Zimmerdecke huschten. Sie saß schon seit zwei Stunden dort, während die Sonne unterging und es um sie herum dunkler wurde. Laurel spielte willkürlich den einen oder anderen melancholischen Akkord, und auch wenn sie versuchte, etwas anderes zu spielen, wurde sie immer wieder an die seltsame Musik von Avalon erinnert.
    An diesem Morgen war ihr Leben noch so schön gewesen – geradezu hinreißend! Und jetzt? Sie hatte alles kaputt gemacht.
    Es war allein ihre Schuld. Sie hatte die Entscheidung zu lange vor sich hergeschoben und Tamani nicht widerstehen können. Es reichte nicht, David körperlich treu zu sein, nein, er hatte es auch verdient, dass sie ihm in ihren Gefühlen treu war.
    Sie dachte daran, wie Tamani sie angesehen hatte, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn nicht liebte. Das war genauso ungerecht. Sie hatte sie beide verletzt und musste jetzt die Folgen tragen.
    Bei der Vorstellung, den Rest ihres Lebens – oder auch nur diese Woche – ohne David zu verbringen, tat ihr alles weh. Sie stellte sich vor, ihn mit einem anderen Mädchen zu sehen. Wie er sie küsste, so wie Tamani sie heute geküsst hatte. Stöhnend wälzte sie sich auf die Seite und ließ die Gitarre auf die Bettdecke sinken. Es
fühlte sich an wie das Ende der Welt. Das durfte sie nicht zulassen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, alles wiedergutzumachen.
    Doch auch nachdem sie zwei Stunden lang angestrengt nachgedacht hatte, war ihr nichts eingefallen. Sie konnte nur hoffen, dass er ihr verzeihen würde. Irgendwann.
    Laurel versuchte einzudösen. Normalerweise fiel ihr das nach Sonnenuntergang leicht, aber heute saß sie nur da und sah zu, wie sich die Zahlen auf ihrem Wecker veränderten, während es immer dunkler wurde.
    20.22
    20.23
    20.24
    Laurel ging nach unten. Am Samstagabend prüften ihre Eltern stets den Warenbestand in ihren Geschäften. Sie würden frühestens in einer Stunde zurückkommen. Eher aus Gewohnheit als vor Hunger ging Laurel an den Kühlschrank – zu dieser Tageszeit konnte sie sowieso nichts essen. Sie machte den Kühlschrank wieder zu und schimpfte ein wenig auf David und Tamani. Sie wollte keinem von beiden wehtun, im Gegenteil: Sie wollte, dass sie beide glücklich waren. Beide spielten eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. Warum bestanden sie nur darauf, dass Laurel sich zwischen ihnen entscheiden sollte?
    In diesem Augenblick bewegte sich etwas im Vorgarten, aber bevor sie nachsehen konnte, zersplitterte das Panoramafenster, und die Glasscherben flogen über den Boden. Laurel kauerte sich schreiend hin und schlug
schützend die Hände vors Gesicht. Doch sobald sie aufgehört hatte zu schreien, war es totenstill. Niemand schrie, keine Steine flogen, auch Schritte waren nicht zu hören.
    Als Laurel die Glasscherben auf dem Küchenboden musterte, entdeckte sie einen großen Stein, den offenbar jemand durchs Fenster geworfen hatte.
    Er war in ein Stück Papier gewickelt.
    Mit zitternden Händen nahm Laurel den Stein und entfernte den Zettel. Sie rang nach Luft, als sie das rote Gekritzel entzifferte.
    Im nächsten Augenblick war sie auf den Beinen und lief zur Haustür. Sie riss die Tür auf und spähte in die Dunkelheit. Der Vorgarten lag ruhig da, hübsch sah er im Licht der Straßenlaternen aus. Laurel schaute sich jeden Schatten genau an und prüfte ihn auf Anzeichen auch kleinster Bewegungen.
    Die Welt stand still.
    Laurel warf einen Blick auf ihr Auto und dann wieder auf den Zettel. Tamani hatte recht – immer wollte sie alles allein machen. Es war an der Zeit zuzugeben, dass sie Hilfe brauchte. Laurel drehte sich um und lief, aber nicht zu ihrem Auto, sondern zum Waldrand hinter ihrem Haus. Dort blieb sie stehen, weil sie nicht wusste, wie weit der Schutzwall reichte. Nach kurzem Zögern rief sie: »Hilfe! Bitte! Ich brauche eure Hilfe!«
    Sie lief am Waldrand entlang und rief wieder laut um Hilfe. Aber außer ihrem Echo kam keine Antwort.

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