Elfenliebe
»Bitte!«, rief sie noch einmal, obwohl sie allmählich ahnte, dass niemand reagieren würde.
Die Wachtposten waren fort. Laurel wusste nicht, wohin oder seit wann, aber wäre auch nur ein Elf im Wald gewesen, wäre er ihr zu Hilfe geeilt. Sie war auf sich allein gestellt.
Verzweifelt presste sie die Handflächen auf die Augen, um nicht zu weinen. Auf keinen Fall durfte sie hier und jetzt zusammenbrechen. Sie lief zum Auto, sprang hinein und schlug die Tür zu. Dann starrte sie auf das dunkle, leere Haus, das sie monatelang beschützt hatte – schon bevor sie von den Wachtposten und dem mächtigen Schutzzauber gewusst hatte. Doch sie konnte nicht bleiben. Sie musste den Schutzwall verlassen, obwohl ihr klar war, dass die Orks genau das beabsichtigten. Aber Laurel hatte keine Wahl, es stand zu viel auf dem Spiel. Ihre Hände zitterten, aber es gelang ihr, den Wagen anzulassen und rückwärts aus der Einfahrt zu fahren. Die Räder quietschten auf dem Asphalt, als sie den ersten Gang einlegte und einen letzten misstrauischen Blick in den Rückspiegel wagte.
Das kurze Stück zu David kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Laurel fuhr vor dem Haus vor und betrachtete das vertraute Gebäude, das praktisch ihr zweites Zuhause geworden war. Sie kam sich wie ein Eindringling vor.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, sprang sie aus dem Auto und rannte zur Haustür. Sie hörte, wie die Klingel durch das Wohnzimmer hallte, und versuchte, sich daran zu erinnern, wann sie zum letzten Mal bei David geklingelt hatte. Es war so förmlich, so unnötig.
Davids Mutter kam an die Tür. »Laurel«, sagte sie
fröhlich, aber bei Laurels Anblick verging ihr das Lächeln. »Was ist los? Geht es dir nicht gut?«
»Ist David da?«
Davids Mutter sah sie verwirrt an. »Ja, natürlich, komm rein.«
»Nein, danke, ich bleibe lieber draußen«, murmelte Laurel mit gesenktem Blick.
»Wie du willst«, sagte Davids Mutter gedehnt. »Ich hole ihn.«
Sie musste lange warten, ehe die Tür erneut geöffnet wurde. Laurel hob den Blick – sie fürchtete schon, wieder seiner Mutter gegenüberzustehen. Doch es war David. Sein Gesicht war wie versteinert, seine Augen blitzten. Er holte tief Luft, trat auf die Veranda und zog die Tür hinter sich zu.
»Lass das, Laurel. Ich bin nur rausgekommen, weil es das Haus meiner Mutter ist und ich ihr noch nicht sagen wollte, was passiert ist. Aber du musst …«
»Barnes hat Chelsea.«
Auf der Stelle schmolz der Ärger in Davids Blick. »Was!«
Laurel reichte ihm den Zettel. »Im Leuchtturm. Ich weiß, du bist sauer auf mich, aber …« Sie brach ab, weil sie kaum noch Luft bekam, zwang sich aber weiterzureden. »Das ist höhere Gewalt, David, wir können jetzt keine Rücksicht auf unseren Streit nehmen. Ich brauche dich, David. Allein schaffe ich das nicht.«
»Was ist mit den Wachtposten?«, fragte David argwöhnisch.
»Sie sind nicht da! Ich habe sie gerufen. Sie sind weg.«
Nach kurzem Zögern nickte David und verschwand im Haus. Sie hörte, wie er seiner Mutter etwas zurief, und schon war er wieder draußen und warf sich den Rucksack über die Schulter, während er seine Jacke anzog. »Komm.«
»Kannst du fahren?«, bat Laurel. »Ich muss … ich muss was Bestimmtes machen.«
Nachdem sie den Rucksack aus ihrem Auto geholt hatte, stieg Laurel bei David ein.
»Wir müssen Tamani zu Hilfe holen«, sagte David finster.
Doch Laurel schüttelte bereits den Kopf.
»Laurel, was mit euch ist, interessiert mich jetzt nicht. Er ist unsere einzige Chance!«
»Darum geht es nicht. Die Zeit reicht nicht aus. Wenn ich nicht um neun am Leuchtturm bin, bringt er Chelsea um. Wir haben noch …«, Laurel warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett, »genau fünfundzwanzig Minuten.«
»Dann kannst du zum Leuchtturm fahren und ich rase zum Grundstück und hole ihn.«
»Dazu ist keine Zeit, David!«
»Und, was schlägt du vor?«, schrie er wütend.
»Ich schaffe das.« Laurel hoffte, dass es der Wahrheit entsprach. »Aber erst muss ich kurz zu meiner Mutter in den Laden.«
Laurel schlug an die Tür von Mutter Natur , bis ihre Mutter aus dem Hinterzimmer kam, wo sie ihren Papierkram erledigte. »Laurel, um Himmels willen, was …«
»Mom, ich brauche getrocknete Sassafras-Wurzel, Bio-Hibiskus-Samen und Ylang-Ylang-Essenzöl, das in Wasser statt in Alkohol fixiert wurde. Ich brauche das alles sofort und bitte dich, keine Fragen zu stellen.«
»Laurel …«
»Jede Minute zählt, Mom. Ich verspreche dir,
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