Elfenliebe
mehr mitnehmen.«
»Nächste Woche?«, hoffte Laurel.
Tamani schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich genügend Urlaubstage für Avalon bekäme, würden sie dir nicht freigeben. Nein – in ein paar Wochen.«
Laurel fand die Erwähnung seiner »Urlaubstage für Avalon« schon ziemlich beunruhigend, mehr noch allerdings die Aussicht, auf unbestimmte Zeit in der Akademie eingepfercht zu sein. In ein paar Wochen? Sie konnte nur hoffen, dass die nächste Lernetappe schneller verging und etwas anderes vorsah, als allein in ihrem Zimmer vor einem Bücherstapel zu hocken.
Sechs
A m nächsten Morgen betrachtete Laurel sich im Spiegel und fragte sich, wie ein »Lehrmädchen« eigentlich auszusehen hatte. Seit dem Fiasko beim ersten Abendessen in Avalon tat sie sich mit der passenden Kleidung schwer, und wenn sie die anderen fragte, erhielt sie selten mehr als ein Lächeln zur Antwort – gefolgt von der Ermunterung, einfach anzuziehen, »worin du dich wohl fühlst«. Prüfend musterte sie ihren Pferdeschwanz, löste das Band und ließ die Haare auf die Schultern fallen. Als sie sie wieder zusammenbinden wollte, klopfte es. Vor der Tür stand Katya und lächelte sie an.
»Ich dachte, ich komme und zeige dir an deinem ersten Tag den Weg zu deiner Klasse.«
»Super«, sagte Laurel erleichtert. Katya trug einen langen wallenden Rock und ein ärmelloses Top mit rundem Ausschnitt. Laurel hatte sich für ein wadenlanges Sommerkleid aus einem leichten Stoff entschieden, der beim Gehen raschelte und von der kleinsten Brise angehoben wurde. Sie fand, dass sie nicht viel anders als Katya aussah und hoffentlich nicht unangenehm auffallen würde.
»Also – bist du fertig?«
»Jep – nur noch meine Tasche.« Sie warf den Rucksack über die Schulter – was ihr einen Seitenblick von Katya eintrug. Mit dem dicken schwarzen Reißverschluss und dem Nylongewebe – ganz zu schweigen von dem »Transformers«-Aufkleber, den ihr David vor einigen Monaten zum Spaß aufgebügelt hatte – bildete er einen ziemlichen Kontrast zu Katyas Leinentasche. Aber Laurel hatte nichts anderes, worin sie ihre Karteikarten verstauen konnte. Außerdem empfand sie es als kleinen Trost, ihren alten, gewohnten Rucksack mitzunehmen.
Von Laurels Zimmer aus erreichten sie nach einigen Abzweigungen einen langen Gang mit Zuckerglasfenstern auf beiden Seiten, die das Sonnenlicht reflektierten und das Spiegelbild der Mädchen an die gegenüberliegende Scheibe warfen. Laurel prüfte darin im Vorbeigehen ihr Erscheinungsbild und verlor für einen Moment die Orientierung, wer von ihnen beiden wer war. Katya war ungefähr so groß wie sie und hatte ebenfalls blonde Haare – nur waren sie kurz geschnitten und kringelten sich niedlich um ihren Kopf herum. Die meisten anderen Elfen färbten sich Haare und Augen, indem sie besondere Sachen aßen. Es gab weitaus mehr rot-, grün-und blauhaarige Elfen in der Klasse als blonde und brünette. Eine interessante Mode, fand Laurel – die sie unter anderen Umständen vielleicht mitgemacht hätte. Doch bisher hatte sie genug damit zu tun, nicht gegen die Feinheiten der inoffiziellen Kleiderordnung zu verstoßen.
Schließlich blieben sie vor einer Reihe von Flügeltüren
stehen. Es duftete nach fruchtbarer feuchter Erde. »Heute sind wir hier«, sagte Katya. »Wir treffen uns immer woanders, je nachdem, woran wir arbeiten. Die Hälfte der Zeit verbringen wir hier drin.« Als sie die Tür öffnete, wurden sie von lautem Geschnatter begrüßt.
Der Raum war anders als alle Klassenräume, die Laurel bisher gesehen hatte. Normalerweise hätte sie ihn als Gewächshaus bezeichnet. Blumentöpfe mit den unterschiedlichsten Pflanzenarten standen an den Wänden und die Fenster reichten vom Boden bis zur Decke. In das Spitzdach waren Oberlichter eingelassen und der ganze Raum war tropisch feucht und warm. Laurel war froh über den leichten Stoff ihres Kleides und verstand sofort, warum in ihrem Schrank so viele von der Sorte hingen.
Es gab keine Pulte, aber in der Mitte stand ein langer Tisch voller Gerätschaften. David wäre begeistert gewesen: Messbecher, Phiolen, Pipetten und Objektträger, dazu mehrere Instrumente, die aussahen wie Mikroskope – und Reihen über Reihen von Flaschen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten.
Aber nicht ein einziger Arbeitstisch. Seltsamerweise war Laurel erleichtert – es erinnerte sie ein bisschen an die Zeit ihres Unterrichts zu Hause.
Die Elfen selbst machten Laurel leicht nervös. Das
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