Elfenliebe
sein.« Mit dem Kopf zeigte sie in Maras Richtung. »Mara arbeitet sich am meisten daran ab. Vor ein paar Jahren hat sie sich darum beworben, Elfengifte studieren zu dürfen. Sie wurde abgelehnt, obwohl sie die Beste in der Klasse und bereits Expertin für Tiergifte ist.«
»Und deshalb hasst sie mich?«, fragte Laurel perplex.
»Sie hasst dich, weil an dir nachweislich ein Zauber angewandt wurde, den sie nicht lernen durfte. Dazu kommt, dass sie dich kennt – vielmehr kannte. Fast alle von uns hier kannten dich – mehr oder weniger.«
»Oh«, hauchte Laurel.
»Ehe du fragst: Bevor du als Pfropfreis ausgewählt wurdest, kannte ich dich so gut wie gar nicht – und auch dann nur von Weitem. Aber Mara«, fuhr Katya fort und wies wieder auf die statuenhafte Schönheit, »war ziemlich gut mit dir befreundet.«
»Echt?« Laurel kam sich dämlich vor, weil sie erst von anderen erfahren musste, mit wem sie damals befreundet war. Gleichzeitig war sie verwirrt darüber, von dieser ehemaligen Freundin so wütende Blicke zu ernten.
»Ja. Aber Mara kam damals auch als Pfropfreis infrage und hat sich total geärgert, als du genommen wurdest – und nicht sie. Sie hat das als ihr Versagen betrachtet – anstatt den tatsächlichen Grund zu sehen. Du hast den Kriterien einfach besser entsprochen. Blonde Haare waren der entscheidende Trumpf«, sagte Katya und fügte mit einer wegwerfenden Handbewegung hinzu: »›Menschen lieben nun mal blonde Babys‹, haben sie gesagt.«
Laurel verschluckte sich, als sie das hörte, und musste husten – woraufhin wieder alle guckten. Selbst Mara drehte den Kopf und blickte sie erneut wütend an.
»Ich schätze mal, seither versucht sie bei jedem Schritt, sich zu beweisen«, fuhr Katya ungefragt fort. »Und sie hat wirklich Talent. Sie kam viel früher in die Lehrlingsklasse als die meisten von uns – und ist drauf und dran, Gesellin zu werden. Wenn du mich fragst, je
früher, desto besser.« Sie drehte sich wieder zu ihrem Bäumchen um und brummte noch: »Meinetwegen kann sie mit denen lernen.«
Laurel wandte sich ebenfalls um, beobachtete aber aus einem Augenwinkel noch immer Mara. Das schlanke Mädchen lehnte mit der Schönheit und Grazie einer Ballerina am Tisch, doch mit Blicken tastete sie alle im Raum ab, erwog genauestens, was sie sah, und schien allerlei Mängel festzustellen. Waren sie tatsächlich befreundet gewesen?
Eine Gruppe Elfen mittleren Alters betrat den Raum und die Elfe an ihrer Spitze klatschte in die Hände. »Bitte, kommt zusammen«, sagte sie erstaunlich leise. Doch ihre Worte drangen mühelos durch den Raum, der plötzlich vollkommen still war. Alle hatten aufgehört zu reden und wandten sich den Lehrern zu.
Das ist komplett anders als zu Hause, dachte Laurel.
Die Elfen kamen aus allen Richtungen und versammelten sich in einem großen Kreis um die etwa zwanzig Lehrer. Die Elfe, die sie herbeigerufen hatte, ergriff das Wort.
»Wer fängt heute mit einem neuen Projekt an?« Einige Hände gingen hoch – und sofort machten die anderen Elfen Platz, damit die, die sich gemeldet hatten, nach vorn treten konnten. Eine nach der anderen – oder auch in kleinen Grüppchen – beschrieben sie nun ihre neuen Projekte – das Ziel, wie sie dorthin gelangen wollten, wie lange es ihrer Meinung nach dauern würde und so weiter. Dann beantworteten sie einige Lehrerfragen und sogar welche von anderen Schülern.
Die Projekte klangen alle sehr kompliziert, und die Elfen benutzten Begriffe, die Laurel nicht verstand – wie Monastuolo-Rezeptoren und eukaryotische Widerstandsmatrix oder caprylische Hleocræft-Vektoren. Nach wenigen Minuten ließ ihre Aufmerksamkeit nach und sie blickte in die Runde, während die Elfen weiter ihre Projekte präsentierten. Alle anderen hörten zu. Niemand zappelte herum, kaum jemand flüsterte – und wenn, schien es sich um das gerade beschriebene Projekt zu drehen. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis die neuen Projekte vorgestellt waren, und alle blieben währenddessen ruhig und aufmerksam.
Es war richtig gespenstisch.
»Hat gestern jemand sein Projekt beendet?«, fragte die Lehrerin jetzt. Wieder meldeten sich ein paar, und die anderen traten zur Seite, um sie vorzulassen.
Während die Elfen von ihren abgeschlossenen Projekten berichteten, betrachtete Laurel den Klassenraum mit neuen Augen. Die Pflanzenvielfalt in den Kästen war ähnlich groß wie draußen, nur erschien sie ihr hier eher willkürlich entstanden zu sein. Viele
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