Elfenliebe
aufführen? Da sollte der Typ doch eigentlich herkommen.«
»Diese Passagen hat Shakespeare erfunden. In der ursprünglichen Geschichte gibt es keine komische Aufführung.«
»Ich fand diese Episode auch schon immer besonders öde. Ich meine, es sollte aufhören, wenn die Liebenden aufwachen und merken, dass sie entdeckt wurden«, sagte Laurel.
»Volltreffer.« Tamani grinste sie an.
Laurel sah eine Weile schweigend zu, wie die Tänzer die Geschichte fortspannen und sich alles auf das Ende hin zuspitzte. Kurz vor Schluss erschien Titania noch mal und tanzte das wunderschönste Solo, das Laurel je
gesehen hatte. Dazu erklang leise, traurige Musik. Am Ende wirbelte sie herum, sank vor Oberon auf die Knie und bot ihm ihre Krone.
»Was ist denn jetzt passiert?«, fragte Laurel, als der Tanz vorbei war. Während des Solos hätte sie es nicht ertragen, zu sprechen, es war zu schön, um auch nur eine Sekunde wegzusehen.
»Titania bittet Oberon um Vergebung für ihre Missetaten und verzichtet ihm zuliebe auf die Krone. Auf diese Weise gibt sie auch zu, nie die wahre Königin gewesen zu sein.«
»Wegen Camelot?«
»Nein, weil sie eine Herbstelfe war.«
Laurel dachte stirnrunzelnd darüber nach. Doch schon ging es auf der grünen Lichtung weiter, auf der die Liebenden aus ihrem verzauberten Schlaf erwachten und einen fröhlichen doppelten Pas de deux hinlegten. Zum Schluss gesellte sich das gesamte Elfenensemble dazu. Als sie vortraten und sich verbeugten, erhob sich das Publikum auf dem Hügel wie auf ein Zeichen zum Applaus. Tamani stand ebenfalls auf, und Laurel sprang auf, um so wild zu klatschen, dass ihr die Hände wehtaten.
Doch Tamani legte ihr eine Hand auf den Arm und zog sie auf ihren Sitz hinunter.
»Was?« Sie riss den Arm zurück.
Tamani sah sich nervös um. »Das tut man nicht, Laurel. Man steht nicht auf, um jemandem zu applaudieren, der unter einem steht. Man erhebt sich nur für Gleichgestellte oder höhere Ränge.«
Laurel sah sich um. Er hatte recht. Auf dem Balkon wurde leidenschaftlich applaudiert, aber außer ihr und Tamani war niemand aufgestanden. Mit hochgezogener Augenbraue wandte sie sich wieder der Bühne zu und blieb beim Klatschen stehen.
»Laurel!«, schimpfte Tamani leise.
»So etwas Tolles habe ich noch nie gesehen, und deshalb werde ich meiner Bewunderung Ausdruck verleihen, wie es mir passt«, sagte Laurel entschlossen und applaudierte weiter. Sie warf Tamani einen kurzen Blick zu. »Willst du mich etwa daran hindern?«
Seufzend schüttelte Tamani den Kopf, aber er gab es auf, sie zum Hinsetzen zu bewegen.
Als der Applaus allmählich verhallte, verließen die Tänzer anmutig die Bühne, die in strahlendes Weiß getaucht war. Im hinteren Bereich stellten sich etwa zwanzig hellgrün gekleidete Elfen auf.
»Kommt noch etwas?«, fragte Laurel, während sie sich wieder hinsetzten.
»Feuertänzer.« Tamani strahlte sie an. »Die gefallen dir bestimmt.«
Nach einem dumpfen Paukenschlag ertönte zunächst ein langsames stetiges Trommeln. Im Rhythmus der Musik kamen die grün gekleideten Elfen in einem langsamen Marsch nach vorn. Am vorderen Rand der Bühne hoben sie die Hände und sandten bunte Leuchtstrahlen in den Himmel. Eine Sekunde später explodierte ein Funkenregen über der Zuschauermenge – ungefähr auf Augenhöhe mit den Logen. Die lebhaften Farben brillierten in so fantastischen Schattierungen, dass Laurel
blinzeln musste. Ein schöneres Feuerwerk hatte sie noch nie gesehen.
Als sich eine zweite Trommel mit einem schnelleren, komplizierten Rhythmus einmischte, richteten sich die Elfen auf der Bühne nach diesem neuen Klang. Ihr Tanz wurde akrobatisch, sie hüpften und sprangen an den Bühnenrand. Dann ertönten eine dritte Trommel und eine vierte, während die Schritte und Gesten der Tänzer immer rasender, immer schneller wurden.
Wie gebannt verfolgte Laurel das Schauspiel der Feuertänzer, die in den unglaublichsten Positionen über die Bühne taumelten. Jedes Mal wenn sie an den Bühnenrand gelangten, wurde eine andere Lightshow gezündet. Die Lichtstrahlen gingen wie Regentropfen auf das Publikum nieder, und wirbelnde Feuerbälle sausten durch die Arena, mit grellen Funken, die zu glänzenden Juwelen verblassten, ehe sie erloschen. Laurel war hin- und hergerissen zwischen den Akrobaten und dem Feuerwerk. Sie wünschte, beides gleichzeitig ansehen zu können. Doch dann, als das Trommeln so rasend schnell wurde, dass sie sich fragte, wie die Elfen mitkamen,
Weitere Kostenlose Bücher