Elfenliebe
ist das Mädchen?«, fragte Laurel, die sich den Hals verdrehte, um zu beobachten, wie Jamison dem Mädchen etwas in die Hand drückte, ehe er sich setzte.
»Das ist Yasmine. Sie ist eine Winterelfe.«
»Oh. Heißt das, sie wird eines Tages Königin?«
Tamani schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Sie ist Marion im Alter zu nahe. So war es bereits mit Jamison und Cora, der letzten Königin.«
»In ganz Avalon gibt es nur drei Winterelfen?«
»Ja, nur diese drei. Früher waren es häufig noch weniger. « Tamani lächelte. »Meine Mutter war die Gärtnerin für Marion und Yasmine. Yasmine erblühte wenige Monate, bevor meine Mutter in Rente ging. Es gibt nur sehr wenige Gärtner, denen die Ehre zuteilwird, zwei Winterelfen aufzuziehen.« Er wies mit dem Kopf auf die junge Winterelfe. »Ich habe Yasmine ein wenig kennengelernt, ehe sie in den Winterpalast geschickt wurde. Sie ist nett, und ich glaube, sie hat ein gutes Herz. Jamison hat sie sehr gern.«
In diesem Augenblick trat eine kleine, aber fein gekleidete Elfe vor die mächtigen Vorhänge, die über der Bühne hingen. Die Gespräche verstummten.
»Mach dich auf was gefasst«, sagte Tamani. »So etwas hast du noch nie erlebt.«
Zweiundzwanzig
A ls der Vorhang aufging, wurde eine bezaubernde Waldkulisse sichtbar, die von den hellen Strahlen bunter Lichter beleuchtet wurde, die in sanften Kegeln hinunterschienen. Laurel begriff, dass man das Licht im Kolosseum nicht dimmen konnte – oder musste. Auf der Bühne schien alles von innen zu leuchten, heller, klarer und sogar echter als Laurels unmittelbare Umgebung. Sie war hingerissen – hier war eindeutig Sommermagie am Werk.
In der Mitte der Bühne knieten zwei Elfen in einer innigen Umarmung und liebliche, romantische Musik schwebte aus dem Orchester empor. Die beiden glichen normalen Balletttänzern – der Mann hatte eine makellose mokkafarbene Haut, muskulöse Arme und kurz geschnittenes Haar, während die Frau mit den langen, schlanken Gliedern ihr kastanienbraunes Haare streng zurückgekämmt trug. Das Paar stand auf und begann langsam und sachte, barfuß zu tanzen.
»Keine Spitzenschuhe?«, flüsterte Laurel Tamani zu.
»Was sind Spitzenschuhe?«
Also nein, sieht man ja, dachte Laurel. Dennoch handelte es sich eindeutig um ein Ballett. Die Bewegungen waren fließend und anmutig, die Tänzer streckten sich
und sprangen so hoch, dass Menschen neidisch werden müssten. Für Haupttänzer einer solch wichtigen Aufführung schien es ihnen jedoch an Grazie zu fehlen. Sie schleiften die Füße ein wenig nach und manche Bewegung wirkte beschwerlich. Dennoch waren sie ziemlich gut. Erst nach den ersten Schritten des Pas de deux verstand Laurel, was ihr besonders seltsam vorkam.
»Was soll denn das mit dem Bart?«, fragte sie Tamani. Der Tänzer hatte einen schwarzen Vollbart, der zu seinem Kostüm passte, aber als Laurel genauer hinsah, stellte sie befremdet fest, dass er ihm bis zum Bauchnabel reichte.
Tamani räusperte sich leise, und einen Augenblick lang fürchtete Laurel, er würde ihr gar nicht antworten. »Das musst du verstehen«, flüsterte er. »Die meisten Elfen haben noch nie einen Menschen aus Fleisch und Blut gesehen. Ihre Vorstellung davon, wie Menschen aussehen, ist ungefähr so weit von der Wirklichkeit entfernt wie deren Elfenbild. Elfen finden es unglaublich …« — er suchte nach dem treffenden Ausdruck – »spannend, dass den Menschen Fell im Gesicht wächst. Das ist richtig tierisch.«
Auf einmal wurde Laurel bewusst, dass sie noch nie einen Elfen mit Bart gesehen hatte. Sie war gar nicht darauf gekommen. Tamanis Gesicht war immer glatt und weich – ohne die kratzigen Stoppeln wie bei David. Das war ihr noch nie aufgefallen.
»Die Tänzer, die Menschen darstellen, bewegen sich außerdem weniger anmutig, um zu zeigen, dass es sich um Tiere und nicht um Elfen handelt«, fuhr Tamani fort.
Als Laurel ihre Aufmerksamkeit wieder dem Stück zuwandte, beobachtete sie, wie die Tänzer nur mit einer Andeutung von Schwerfälligkeit hochsprangen und zu Boden fielen. Jetzt da sie wusste, mit welcher Absicht sie dies taten, bewunderte sie die dafür erforderliche Begabung. Es war sicher nicht einfach, einen Mangel an Anmut darzustellen. Ihren Ärger über die wiederkehrenden Stereotypen verdrängte sie erstmal. Das konnte warten.
Als zwei weitere bärtige Tänzer auf die Bühne kamen, versteckte sich die Tänzerin hinter ihrem Partner. »Was ist da los?«, fragte Laurel.
Tamani zeigte auf
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