Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Schon gar nicht von so einem vorwitzigen Tunichtgut wie dir. Und nun dein Hemd, sonst setzt es was!« Er hob drohend den Rohrstock.
    Ich kannte den Alten schon gut genug, um zu wissen, dass er nicht scherzte. Ich gehorchte und zog mich aus. »Warum?«, fragte ich kleinlaut.
    »Hasen tragen für gewöhnlich keine Hemden. Du brauchst es nicht mehr.«
    Ich war mir sicher, er wusste, dass ich etwas anderes gemeint hatte.
    »Versuch dich nicht an einem Drachen«, ermahnte er mich. »Und auch nicht an etwas, das viel kleiner ist als du. Wir können uns zwar verwandeln, aber wir sind dennoch den Gesetzen unseres Körpers unterworfen. Wir können nicht mehr Fleisch und Knochen werden, als wir in Wirklichkeit sind. Einige sehr erfahrene Lutin-Zauberer verfügen über die Kraft, sich in etwas größere Gestalten zu verwandeln, indem sie in ihrem falschen Leib Luftsäcke bilden, meistens dort, wo die Gedärme sitzen sollten. Diese Tricks bringen einem meistens nachträglich üble Verdauungsprobleme ein. Also sei nicht dumm und bleibe bei deinem Hasen.«
    Das war nicht mein Hase, dachte ich. Aber mit meinem Trotz war es nicht mehr weit her. »Kannst du nicht bleiben?«, fragte ich mit weinerlicher Stimme.
    »Das wird dich nur stören. Um zu zaubern, braucht man Ruhe. Im Übrigen passiert es manchmal, dass ein Schüler platzt, wenn er einen Fehler macht. Das ist wirklich kein schöner Anblick. Ich muss das nicht sehen. Wie auch immer. Sollte das nicht passieren, findest du mich in meiner Hängematte auf dem Rücken von Zweistoß.« Mit diesen Worten ging er. Ein Augenblick noch, dann war er im hohen Gras verschwunden.
    Ich sah ihm mit offenem Maul nach, wollte es erst nicht glauben, aber er hatte mich tatsächlich nackt zurückgelassen. Sollten ihn die Yingiz holen!
    Anfangs war ich nur wütend. Aber sehr schnell kam die Angst. Ich kauerte mich auf den Boden und lauschte auf jedes Geräusch. Der Wind ließ das Gras rascheln. Ich heulte und fluchte. Und bettelte in der Hoffnung, dass er vielleicht doch noch in der Nähe war.
    Ein Schatten glitt über den Himmel. Ein Steppenadler zog mit weit ausgebreiteten Schwingen seine Kreise. Ganz offensichtlich war er auf der Jagd. Es wäre verrückt, sich jetzt in einen Hasen zu verwandeln! Ich hatte keine Lust, sein Frühstück zu werden. Ob er überhaupt einen Unterschied zwischen einem Hasen und einer nicht ausgewachsenen Lutin machte?
    Vielleicht hatte Gromjan auch wieder nur einen seiner geschmacklosen Scherze gemacht? Sollte ich es wagen, mich in etwas Größeres zu verwandeln? Etwas, das der Adler niemals als Beute betrachten würde?
    Ich versuchte mir einen Hasen vorzustellen. Wie sah eine Hasenpfote auch gleich aus? Hatte sie Krallen? Es war lange her, dass ich mir das letzte Mal einen Hasen genauer angesehen hatte. Ich dachte an die blutigen, gehäuteten Kadaver, die abends über dem Lagerfeuer gebraten wurden, und ein Schauder überlief mich.
    Meine Mutter hatte mir einmal gesagt, dass man die Magie greifen kann. Ich ließ mich auf die Knie nieder und tastete über die Erde. Dort war die Macht des Albenpfads. Aber obwohl ich sie deutlich spürte, konnte ich sie natürlich nicht in die Hand nehmen.
    Ich schloss die Augen und versuchte die pulsierende Macht in mich aufzunehmen. Das Kribbeln wurde tatsächlich stärker!
    Dann stellte ich mir vor, wie ich mich veränderte. Es tat weh! Und ich dachte nicht an einen Hasen.

Eine alte Schuld
    Selbst jetzt, gefangen in dieser verfluchten Höhle, muss ich schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke, wie Zita mich im Lager empfing. Die alte Hexe war wie ausgetauscht! Sie verneigte sich so tief, dass ich ihren krummen Rücken knacken hören konnte.
    »Edle Herrin, Allerverehrteste, Segensbringerin …« Sie überschlug sich geradezu dabei, mich mit Ehrennamen zu bedenken. Als ich mich setzen wollte, schickte sie Elija los, mir eine Decke zu holen.
    Die meisten Kinder unseres Klans hatten sich versteckt. Sie fürchteten mich und waren in die Zelte oder ins hohe Gras verschwunden.
    Ich entdeckte Mira zwischen den Beinen von Sommerwind, der Hornschildechse ihrer Großmutter. Warum sie so hieß, habe ich nie begriffen. Die Winde, die sie von sich ließ, hatten nichts Sommerliches an sich.
    Mira gaffte mich mit offenem Maul an und wirkte noch dümmer als sonst.
    Dass ich nackt war, schien Zita nicht im Mindesten zu stören. Man wusste ja von Elfen, dass sie etwas überspannt und eigensinnig waren.
    Ja, von Elfen! Auch nach so vielen Jahren bin ich

Weitere Kostenlose Bücher