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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hin, dass er es ironisch meinte.
    »Du hast dich als Zauberin bewährt. Ich habe Hoffnung, dass wir in Lavianar andere Reisende finden werden. Damit, dass Shandral, ein Spross des Fürstenhauses von Arkadien, uns seine zukünftige Braut anvertraut hat, ist unser Ruf endgültig wiederhergestellt. Eine Zeit der Feste und der weiten Reisen steht uns bevor. Eine Zeit, wie wir sie alle aus Erzählungen kennen. Doch vergessen wir das.« Er zwinkerte mir zu. »Dass du dich in eine Elfe verwandeln kannst, heißt nicht, dass du davon entbunden wärst, den Hasenzauber zu erlernen. Übermorgen fangen wir wieder an zu üben.« Mit diesen Worten machte er sich davon.
    Am Abend feierten wir ein Fest, wie ich es im Klan noch nicht erlebt hatte. Man konnte so viel essen, wie man nur wollte! Köstliches Schweinefleisch, eingelegte Amseln, kandierte Kirschen. Ich stopfte mich voll, bis ich mich nicht mehr bewegen konnte. Sogar Wein durfte ich trinken. Wenn ich genauer darüber nachdenke, war es vielleicht der Wein, der dafür verantwortlich war, dass ich die Strickleiter zu meinem Schlafplatz hinauf nicht erklimmen konnte.
    Am nächsten Morgen erwachte ich vom klagenden Ruf des Eistauchers. Wer je das Lied dieses Vogels gehört hat, der weiß, wie es einem durch und durch geht. Die Bilder verwischen in meiner Erinnerung, aber Worte und Laute haben sich mir von jeher so deutlich eingeprägt, dass ich Gespräche, die Jahre zurückliegen, genau wiederholen kann.
    Ich hatte das Gefühl, ein kleines pelziges Tier anstelle meiner Zunge im Mund zu haben. Ein Specht schien den Weg in meinen Kopf gefunden zu haben und versuchte, verzweifelt hämmernd wieder zu entfliehen.
    Ich suchte mir etwas Brot, tunkte es in kaltes Bratenfett und aß. Langsam ging es mir besser. Die Hornschildechsen waren alle wach. Sie hatten sich im Kreis um uns versammelt. Es ist schon gut, wenn man ein Lager hat, das sich um sich selbst kümmert. Mondkragen stand am Ufer des Sees und trank. Ich ging zu der wunderschönen jungen Echse, streichelte sie und schwatzte ihr die Ohren voll.
    Mondkragen war geduldig mit mir. Sie wusste, dass sie bald mein Zelt tragen würde.
    Wieder hallte der Ruf des Eistauchers durch die Nebelschwaden, die über dem Wasser standen. Mich fröstelte. Weit entfernt hörte ich ein dumpfes Grollen. Es muss am Wein gelegen haben, dass ich einige Zeit brauchte, um das Geräusch zu erkennen. Es war Hufschlag. In Arkadien gibt es keine Büffelherden oder andere Tiere, die in großen Gruppen frei über das so sorgsam geordnete Land ziehen.
    Zweistoß stieß ein heiseres Blöken aus. Sofort kam Bewegung in die Herde. Die großen Echsen rückten näher; knirschend rieben die mächtigen Hornplatten ihrer Krägen aneinander. Eine Ziege meckerte jämmerlich, weil sie außerhalb des Schutzkreises geblieben war.
    Zita kam aus ihrem Zelt auf dem Rücken Sturmrufers. Sie trug nur ein Hemd. »Auf die Beine, ihr Säufer!«, rief sie und war fast so laut wie Zweistoß. Sie wickelte das Öltuch von der großen Armbrust, die dicht neben ihrem Zelt auf das Geländer der Plattform aufgesetzt war.
    Mira erschien neben ihrer Großmutter und winkte mir gutgelaunt zu. Sie trug wieder einmal mein Kleid! Verdammte, kleine Diebin, dachte ich! Daran erinnere ich mich noch genau.
    Das Grollen der Hufe kam näher. Ich war unbedarft. Ich hatte ja eine Zeit unter Kentauren gelebt und nur gute Erinnerungen an fernen Hufklang. So trat ich zwischen die Beine von Wolfsbeißer, um nachzusehen, wer dem Ufer des Sees entgegenstrebte.
    Die lange, sanft ansteigende Uferböschung verwehrte den Blick in die Ferne. Immer näher kam der Hufschlag. Hinter mir im Lager waren jetzt fast alle auf den Beinen. Ich hörte Gromjan Befehle rufen. Die Hornschildechsen grunzten kriegerisch.
    Und dann erschienen sie. Es waren Kentauren, und ich wusste sofort, was wir zu erwarten hatten. Hundert oder mehr kamen auf den Hügelkamm und verharrten. Über ihren Häuptern wehte die Wolfsstandarte – Dutzende Wolfsschwänze, die von einer langen Querstange hingen. Sie waren Ausgestoßene der großen Kentaurenstämme, ohne Rechte, Plünderer und Söldner. Und sie hatten hier, in diesem geordneten Land, nichts zu suchen!
    Manche hatten sich das Haar zu seltsamen Borstenkämmen geschoren und diese rot, schwarz oder gelb eingefärbt. Deutlich sah ich ihre Tätowierungen auf der von Wind und Wetter gegerbten Haut. Sie waren der Abschaum des Windlands, Wesen, für die selbst in den wilden Stämmen kein Platz war.

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