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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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schüttelte den Kopf und lächelte gewinnend. »Vor mir brauchst du dich nicht zu verstecken. Das Gedicht hat dich entlarvt. Du kannst mir vertrauen, ich werde es nicht weitererzählen. Ich weiß es schon seit drei Tagen und habe es noch niemandem gesagt. Nicht einmal meinen Eltern.«
    Mondblüte kam von der Fensterbank herübergeflogen und ließ sich auf meiner Schulter nieder. »Für eine Lutin, die eine junge Elfe spielt, siehst du recht hübsch aus. Und du bist auch ziemlich groß.«
    »Für eine Blütenfee, die offensichtlich völlig verrückt ist, kannst du ziemlich gut fliegen«, erwiderte ich ihr Kompliment.
    Sie kicherte. »Du hast dich schon wieder verraten. Elfen sind sehr geistreich, aber nur selten witzig. Du solltest besser achtgeben. Sonst merken auch noch andere, wer du in Wirklichkeit bist.«
    Dieser Einwand gab mir in der Tat zu denken. Mit meinem frechen Mundwerk hatte ich mir bei Hofe schon manchen verwunderten Blick eingehandelt. Ob sie mich wohl beraten konnte? Blütenfeen galten im Allgemeinen als leichtfertig, geschwätzig und naiv. Wenn ich mich mit ihr einließ, könnte ich mir auch gleich ein Schild mit meinem wahren Namen darauf umhängen.
    »Dein Freund schreibt sehr aufwühlende Texte. Ihnen geht zwar jegliche Poesie ab, aber sie lassen das Herz wilder schlagen, und manchmal machen sie auch ein seltsames Gefühl im Bauch. Ich kenne einen Kobold, der ein paar Flugblätter von Elija besitzt.«
    »Hier in der Burg?«, entfuhr es mir.
    Sie stieß sich von meiner Schulter ab und tanzte grinsend vor mir in der Luft. »Ich sagte dir doch schon, dass ich Geheimnisse für mich behalten kann. Das gilt nicht nur für deine. Nun muss ich fort. Ich komme dich morgen wieder besuchen. «
    Bevor ich etwas einwenden konnte, war sie zum Fenster hinausgeflogen. Die Begegnung bereitete mir eine schlaflose Nacht. Am nächsten Tag kam sie tatsächlich zurück. Ich leugnete natürlich weiterhin, Ganda zu sein, aber Mondblütes Gesellschaft machte mir Freude. Mit ihr war es leichter als mit den ganzen verdammten Elfen. Sie nahm mich mit hinaus in die Gärten und an den See. Sie stellte mich ihrer Familie vor und etlichen anderen Blütenfeen. Und sie hütete mein Geheimnis.
    Nach einundzwanzig Tagen gestand ich ihr ein, dass sie sich nicht geirrt hatte. Es war der Tag, an dem Emerelle mit großem Gefolge nach Vahan Calyd zum Fest der Lichter reiste. Mondblütes Eltern gehörten zum Tross der Königin. Sie waren auserwählt, bei der Krönung an ihrer Seite zu sein und über die Schmetterlinge des Kleides der Augen zu wachen, das Emerelle an jenem Tag tragen würde.
    Wer immer von Bedeutung war, reiste mit. Wir blieben zurück . . .

Anmerkung des Herausgebers
    Das Buch, in dem Ganda ihre Lebensgeschichte niederschrieb, muss längere Zeit im Wasser gelegen haben. Obwohl die Lutin sich große Mühe gab, es zu schützen, gelang ihr dies nicht ganz. In ihrer Handschrift befindet sich an dieser Stelle eine größere Lücke. Die Tinte auf den Seiten, die auf die erste Begegnung mit Mondblüte folgen, ist zerlaufen, ja zum Teil sogar völlig vom Wasser ausgelöscht. Manchmal sind einzelne Worte und Satzfetzen geblieben. Sie erlauben sehr grob zu rekonstruieren, wovon der fehlende Text gehandelt haben mag. Ich vermag den Schreibstil Gandas mit all seinen Gedankensprüngen und überraschenden Bekenntnissen nicht nachzuahmen. Deshalb halte ich mich knapp.
     
    Während Königin Emerelle wiedergewählt wurde und das Fest der Lichter feierte, kehrten die Trolle aus ihrer Verbannung in die Welt der Menschen zurück. Völlig überraschend griffen sie Vahan Calyd an, womit der dritte und blutigste Trollkrieg seinen Anfang nahm. Neben Tausenden anderen wurden auch Mondblütes Eltern getötet. Ein Brandgeschoss der Trolle verletzte Emerelle schwer. Eine kleine Schar Getreuer, zu der auch ich gehörte, brachte sie in die Welt der Menschen. Während Reilimee verbrannte und in der Snaiwamark blutige Schlachten geschlagen wurden, blieb das Herzland zunächst vom Krieg unberührt. Wie mir scheint, haben die Nachrichten vom bevorstehenden Untergang der Elfenherrschaft Ganda nicht tief berührt. Sie trauerte mit ihrer Freundin um den Verlust von deren Eltern. In dieser Zeit etwa scheint Mondblüte den Gedichtzyklus begonnen zu haben, der auf Gandas Geschichte folgt. Ob sie der Lutin die einzelnen Blätter schenkte oder ob sie ihre lyrischen Schätze in einem Hort verwahrte, den Ganda später fand, bleibt ungewiss.
    Das Herzland verlebte

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