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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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als sei es gerade erst aus der Hofschneiderei gekommen. Es war schlicht, von weißer Seide und ganz ohne aufwändige Stickereien. Auf dem Tisch daneben lag eine Perlenkette, die Emerelle damals in ihr Haar geflochten hatte. Und neben der Kette lag die Tasche meiner Mutter. Unübersehbar, als sei sie dorthin gelegt, damit ich sie finden konnte.
    Hatte sie diesen Augenblick in ihrer Silberschale gesehen? War ich nur eine Spielfigur? Diese Fragen stelle ich mir jetzt, da ich hören kann, wie sich kleine Steine aus der Geröllhalde lösen, die mich bisher beschützte. Nicht mehr lange, dann werden Alathaias Häscher in der Höhle stehen.
    Ich fürchte, hätte ich diese Sorge schon damals in der verborgenen Kleiderkammer gehabt, nichts wäre anders gekommen. Die Tasche meiner Mutter sah ich nun mit anderen Augen. Ich erkannte die sieben verschiedenfarbigen Schlangen und die anderen geheimen Zeichen. Was einfach nur wie eine prächtige Stickerei aussah, war eine Wegbeschreibung. Der Weg führte ausschließlich über Albenpfade. Und er begann in Emerelles Thronsaal. Endlich würde ich erfahren, was meine Mutter getan hatte!
    Ich sagte niemandem, wohin ich ging. Und das beruhigt mich. Alathaia wird jeden töten, der um ihr Geheimnis weiß, dessen bin ich mir nun ganz sicher.
    Nie bin ich einen so langen Weg auf den Albenpfaden gegangen. Dutzende Male musste ich an einem niederen Stern die Richtung wechseln. Letztlich führte mich die Reise zu einem Splitter der zerbrochenen Welt. Ein großer Felsklotz in der ewigen Finsternis des Nichts. Es ist schwer, ganz ohne Anhaltspunkte zu schätzen, wie viel Zeit dort vergeht. War ich nur Stunden auf dem Fels? Oder länger als einen Tag?
    Das einzig Bemerkenswerte war ein Ort, der von Magie durchdrungen war: ein altes Steinbild, es war leicht beschädigt. Und die Ewigkeit hatte den grauen Granit abgeschliffen. Vielleicht war es aus einer Zeit, bevor die Welt, deren Splitter durch das Nichts trieben, auseinanderbrach. Das Bildnis zeigte eine Kröte, die auf einem großen Ei kauerte. Die Skulptur ruhte auf einem breiten Sockel, der über und über mit merkwürdigen Schriftzeichen bedeckt war. Ich konnte sie nicht lesen, aber ich hatte das Gefühl, dass sie keiner einfachen linearen Ordnung folgten wie die Schriften meiner Welt. Die Zeichen erinnerten an Blitze oder Risse im Stein.
    Hier war ich also gestrandet. Mein Weg führte nicht weiter. Immer wieder betrachtete ich die Muster, die meine Mutter auf ihre Tasche gestickt hatte. Sie führten nur bis hierher und keinen Schritt weiter. Jeden Zoll der Tasche untersuchte ich, auch den Trageriemen. Nichts.
    Zuletzt stülpte ich das Futter nach außen. Es war einmal eingerissen und auf ungelenke Art geflickt worden. Meine Mutter musste aber eine gute Näherin gewesen sein, wie der Rest der Tasche bewies. Diese schludrige Arbeit passte nicht zu ihr. Und doch glaube ich, mich zu erinnern, ihr zugesehen zu haben, als sie das Futter ausbesserte.
    Und dann begriff ich!

Steine, mein Schicksal
    Ein Schlag lässt den Höhlenboden unter meinen Füßen erzittern. Mir ist kalt, und ich bin durstig. Ich habe zu lange nicht geschlafen. Licht fällt in die Höhle, in der ich mich verborgen habe, obwohl Emerelle mich vor ihr warnte. Fackellicht! Sie haben den Durchbruch geschafft. Ich ziehe mich weiter zurück, ganz ans Ende des schmalen Spalts im Höhlenboden. Hier können sie mich nicht sehen. Noch ist die Öffnung zu klein. Sie müssen ein paar große Felsen bewegen. Ich muss fertig werden. Sie sollen dieses Buch nicht erhalten.
    Die ungeschickte Naht … Sie war die letzte Spur auf dem Weg, der das Geheimnis meiner Mutter gewesen war. Sie entsprach einem Schriftzeichen, das es nur ein einziges Mal auf dem Sockel der Krötenstatue gab. Als meine Finger darüber tasteten, leuchtete es auf. Ein Ruck durchlief das Standbild. Und dann schob sich der Sockel leise knirschend zur Seite, um den Blick auf eine Treppe freizugeben.
    Die alten, ausgetretenen Stufen waren so hoch, dass es sogar Elfen schwerfallen musste, hier hinabzusteigen. Für mich jedenfalls war es eine elende Plackerei. Zuletzt fand ich mich in einer Höhle, deren Wände mit fast verblassten Schriftzeichen bedeckt waren. Ich spürte, dass zu meinen Füßen ein Albenstern lag. Er war anders als alle anderen, die ich je erkundet hatte. Von ihm führte nur ein einziger goldener Wegstrang durch das Nichts. Zögernd öffnete ich die magische Pforte.
    So gelangte ich in eine weitere Höhle. Hier gab

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