Elfenlord
die erste Kategorie von Patienten sind diejenigen, die wir hier versorgen. Und dann haben wir noch Hinz und Kunz hier, an denen wir Experimente machen.«
Madame Cardui lächelte leicht gequält. »Vielleicht ein bisschen zynisch, Oberzauberarztheiler?«
»Kein bisschen«, sagte Danaus leichthin. »Sie sind in meinem Trakt weitaus besser dran, als wenn sie sterbend auf der Straße liegen würden. Und weil wir nur Behandlungsmethoden einsetzen, von denen wir glauben, dass sie auch eine Erfolgschance haben, kann es sehr gut sein, dass sie sogar noch vor den Mächtigsten des Landes geheilt werden.«
»Aber die Behandlungsmethoden sind nicht gerade ungefährlich? Wenigstens einige von ihnen?«
»Die Lage ist ernst. Einige der Zauber wirken extrem. Würden Sie es denn vorziehen, dass wir sie zuerst an einem Mitglied der Herrscherfamilie ausprobieren?«
»Nein«, sagte Madame Cardui ehrlich. Danaus tat in Wirklichkeit genau das, was auch sie in seiner Lage getan hätte – auch wenn das moralisch nicht wirklich akzeptabel war. Plötzlich erkannte sie Nymph, die in einem der Betten lag, und konzentrierte sich, um ihr Zimmer besser in den Blick zu bekommen. Das Mädchen sah aus, als schliefe es, aber es gab subtile Anzeichen dafür, dass Nymph tatsächlich noch immer im Fieberkoma lag. Ihr Gesicht hattenoch lange nicht das Grau des gealterten Pyrgus angenommen, aber eine irritierende Reife schien bereits ihre Jugendfrische zu ersetzen.
Madame Cardui wandte sich um und sah den Oberzauberarztheiler an. Er war ziemlich kompakt, hochgewachsen, übergewichtig, mit weichen, fleischigen Zügen. Zum ersten Mal nahm sie bewusst wahr, wie müde er aussah. Sein Gesicht wirkte abgespannt, seine Haut blass und seinen Augen sah man an, dass er zu wenig geschlafen hatte. Sie mochte den Mann nach wie vor nicht, kam aber jetzt zu dem Schluss, dass sie ihn vielleicht doch zu hart beurteilt hatte. Schließlich trug er die Last einer Krise, war letztlich verantwortlich für das Leben von all denen, die in seiner Obhut waren, und stand unter dem immensen Druck, ein Gegenmittel für eine furchterregende und bis dato unbekannte Krankheit zu finden. Darüber hinaus wusste sie, dass er, der sorgfältig darauf geachtet hatte, dass sie über dieses Observationszimmer hinaus den Krankentrakt nicht betreten musste, seine Tage und den größten Teil seiner Nächte inzwischen hier verbrachte. Der Mann war vielleicht ein aufgeblasener Esel, aber es fehlte ihm durchaus nicht an Mut. Und er schonte sich in keiner Weise. Sie sagte: »Warum haben Sie nicht auch Nymphalis in Stase versetzt?«
»Sie ist jung. Dies ist ihr erster Fieberanfall. In diesem Stadium verliert sie vielleicht ein paar Tage ihrer Zukunft, aber vermutlich nicht mehr. Wie ich schon gesagt habe, beim Einsatz des Unbeweglichkeitszaubers gibt es ein gewisses Risiko. Bei Prinz Pyrgus hatten wir wirklich keine Wahl, aber Nymphalis ist ein anderer Fall. Außerdem –« Er verstummte.
»Außerdem was?«, fragte Madame Cardui. Ihr Stimme klang angespannt.
»Ich wollte sagen, wir hoffen, dass wir, wenn wir ein Gegenmittel finden, den Prozess frühzeitigen Alterns umkehren können. Aber, ehrlich gesagt, ich weiß überhauptnicht, ob das alles wirklich stimmt. Die meiste Zeit versuchen wir nur, tapfer die Front zu halten.«
Das war etwas, das sie in früheren Krisenzeiten selbst hatte tun müssen, und sie empfand plötzlich so etwas wie Mitgefühl. »Was für Fortschritte gibt es bei der Suche nach einem Gegenmittel?«, fragte sie.
Danaus seufzte. »Sehr wenig, wenn ich ehrlich sein darf. Das Hauptproblem ist, dass das Fieber keines der Merkmale einer gewöhnlichen Infektion aufweist. In vielerlei Hinsicht verläuft es überhaupt nicht wie bei einer Krankheit. Therapieansätze, die in der Vergangenheit gute Ergebnisse gebracht haben, sind hier also völlig wirkungslos.« Er dehnte leicht seine Schultern. »Aber wir versuchen natürlich alles.« Er blickte zum Panoramafenster und fügte hinzu: »Wir werden Nymphalis selbstverständlich lange, bevor ihre Situation kritisch wird, in Stase versetzen, wenn das Fieber ähnlich schnell fortschreitet wie bei Prinz Pyrgus.«
»Danke«, murmelte Madame Cardui. Ihre Gedanken kreisten wieder unablässig um einen früheren Punkt und sie sagte schließlich: »Oberzauberarztheiler, Sie haben erwähnt, dass Ihrer Meinung nach die Krankheit nicht ansteckend ist …?«
Danaus sah so müde aus wie noch nie. »Im Vertrauen, Madame Cardui, wir haben
Weitere Kostenlose Bücher