Elfenlord
mit langen Fingern, schwebten um sie herum wie Gespenster. Sie hatten Schläuche in die Hauptarterien seiner Schenkel eingeführt und sie an schreckliche Maschinen angeschlossen. Eine pumpte jeden Tropfen seines restlichen Bluts aus ihm heraus, die andere pumpte, um es zu ersetzen, verzaubertes Gravistat hinein. Die Gravistatflüssigkeit löste die inneren Organe auf und setzte gleichzeitig den Prozess der Versteinerung in Gang.
Gerade entfernten sie das Gehirn. (Aus irgendeinem Grund widerstand das Gehirn der Wirkung des Gravistats.) Da es wichtig war, dass der Schädel intakt blieb, waren keine Schnitte erlaubt, sodass die Einbalsamiererinnen einen Eisenhaken einführten und das Gehirn gekonnt durch die Nase herauszogen.
Cynthia sah zu, wie der glitzernde graue Klumpen in ein Gefäß fiel. Seltsam, an all die Vorurteile und die Weisheit zu denken, die es beherbergt hatte, und all die Liebe. Nach Elfenbrauch wurde es mit wenig Respekt behandelt. Sie wusste, dass man es, sobald sie fort war, klein hacken undals Vogelfutter auf einem Stein hinterm Palast ausstreuen würde.
Auch das Gravistat begann jetzt abzufließen. Die Einbalsamiererinnen waren an den Geruch gewöhnt, aber Cynthia machte einen Schritt zurück. Die Flüssigkeit war an sich geruchlos, aber wenn sie sich mit den aufgelösten Innereien mischte, war der Gestank ungeheuerlich. Irgendwo hinter ihr stimmte ein Zauberpriester einen sonoren Gesang an.
Hatten Alan und sie das Richtige getan? Die Frage war beinahe belanglos. Sie hatten das einzig Richtige getan. Wirklich tragisch war, wie hoch der Preis für ihr Handeln gewesen war. Aber wie tapfer hatte er alles ertragen! Er war immer viel entschlossener gewesen als sie, viel weniger besorgt über die Konsequenzen, die alles für ihn selbst haben würde.
Und was für Konsequenzen …
Sie bezweifelte, dass sie sich noch einmal einen anderen Liebhaber nehmen würde, nicht in diesem Alter, das sie inzwischen erreicht hatte. Sie hatte keine Kinder, und ihr Beruf führte dazu, dass sie nur wenige Freunde besaß. (Außerdem war sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, gerade dabei, die wichtigsten unter ihnen zu verlieren.) Unter solchen Umständen war es wahrscheinlich, dass sie allein sterben würde. Aber zumindest Alan nicht. Während der schlimmsten Phasen seiner Krankheit war sie bei ihm gewesen und am Ende der arme liebe Henry. Alles genau nach Plan.
Plötzlich begriff sie, dass jemand mit ihr sprach, und wandte sich um, wobei sie die Chefeinbalsamiererin an ihrer Seite entdeckte »Entschuldigen Sie – ich war in Gedanken woanders.«
»Die Stellung, Bemalte Dame?«, fragte die Frau sie. Sie hatte den Ausdruck professionellen Mitgefühls aufgesetzt, was zum Rüstzeug eines Einbalsamierers gehörte.
Cynthia sah sie verständnislos an. »Was meinen Sie?«
»Für das Denkmal«, soufflierte die Frau. »Ich dachte, Sie wollten die Stellung auswählen.«
Ach, das Denkmal! Sie konnte sich vorstellen, dass Alan diesen Aspekt seines Todes ziemlich amüsant gefunden hätte. Welche Stellung sollte sie wählen? Sollte er mit ausgestrecktem Schwert einen Schritt nach vorn machen, wie all die militärischen Helden? Sollte er ein Buch oder eine Schriftrolle in der Hand halten, um seine Weisheit zu demonstrieren? Sie konnte beinahe hören, wie er angesichts jeder dieser klassischen Stellungen abfällig schnaubte.
Dennoch musste sie sich für irgendetwas entscheiden. Er war schließlich der Torhüter des Elfenreiches und im Palastgarten der Erinnerung wurde bereits ein Sockel für ihn gegossen. Ihr Alan würde sich in eine lange Folge von Torhütern einreihen, die viele Jahrhunderte zurückreichte. Es war der angemessene Dank an eine großartige Seele.
»Würde die Bemalte Dame gern einige der Entwürfe studieren?«, fragte die Einbalsamiererin höflich.
Cynthia blickte nach unten und bemerkte, dass die Frau einen großen, ledergebundenen Band in der Hand hielt, der bei einem Gemälde des Gedenkgartens aufgeschlagen war. Zauberfolien zeigten ihr ein Detail ums andere von den Skulpturen der anderen Torhüter – selbst von Tithonus, der seinen eigenen Kaiser verraten hatte.
»Er muss in seine Torhüterrobe gekleidet werden«, sagte Cynthia zögerlich.
»Natürlich, Bemalte Dame.« Die Frau blickte vorsichtig zum Bett hinüber. Cynthia folgte ihrem Blick und sah, dass die Einbalsamiererinnen ihn bereits ankleideten.
Wie würde Alan der Nachwelt in Erinnerung bleiben wollen? Sie wünschte, sie hätte das mit
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