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Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brennan
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Flüssigkeit heran, vermutlich Wasser, und gossen sie über etwas, das aussah wie Meeresschwämme, mit denen sie in unregelmäßigen Abständen die riesigen Augäpfel abwischten.
    Henry beobachtete Fütterung und Reinigung eine Weile, bis ihm auffiel, dass sich eine kleine Gruppe von Vaettiren, deren Haut eine rosa Färbung angenommen zu haben schien, am Hinterteil der Made versammelt hatte und es sanft massierte. Einige Augenblicke später zuckte der Körper plötzlich krampfartig, und ein schimmernder Sack entleerte sich unter dem spitz zulaufenden Schwanzende der Kreatur. Sofort schnappten ihn sich die Vaettire und trugen ihn triumphierend davon. Der Draugr hatte ein Ei gelegt.
    Der ganze Vorgang war gleichzeitig abstoßend und faszinierend, wie ein Dokumentarfilm über Insekten im Fernsehen. Und als er jetzt darüber nachdachte, begriff Henry plötzlich, dass er tatsächlich so etwas beobachtete wie die Vorgänge in einem Ameisenhügel. Der Draugr war die Königin der Vaettire!
    Er wurde von dem Gurren eines Nachtdolfes jäh aus seinen Träumen gerissen.
    Henry lief es eiskalt den Rücken hinunter. Als er dieser wahnsinnigen Mission zugestimmt hatte, hatte er sich vorgestellt, wie er von einer Handvoll Vaettiren verfolgt wurde, was schauerlich genug war. Aber das da unten war mehr als eine Handvoll Vaettire. Es mussten mindestens fünfzig oder hundert sein. Lorquin konnte beim bestenWillen nicht von ihm erwarten, dass er sie sich alle auf den Hals hetzte. Und erst recht konnte niemand erwarten, dass er das überlebte.
    Wieder erklang das Gurren.
    Sie würden ihn ohnehin nicht alle verfolgen. Das da unten, das war ein Vaettir-Staat. Selbst wenn er herumsprang und mit den Armen wedelte, würden sie ihn nicht alle verfolgen. Sie würden einige zum Spähen aussenden, wie Ameisensoldaten. Der Rest würde weiterhin seiner Königin dienen. Was Lorquin überhaupt nichts nützen würde. Wobei der Junge ohnehin niemals in der Lage wäre, etwas von der Größe des Draugr zu töten, aber selbst wenn er es versuchte, wäre seine Chance, angesichts Dutzender Vaettire lebend davonzukommen, gleich null. Es ergab daher sehr viel mehr Sinn, wenn Henry nicht in den Aufwind ging, um sich von ein paar Vaettiren verfolgen zu lassen. Stattdessen musste er unbedingt ein paar ernste Worte mit Lorquin wechseln, wie ein älterer Bruder, und ihm klarmachen, wie idiotisch diese ganze Eskapade war. Und wenn es wirklich das Prinzip des Stammes war, Kinder loszuschicken, um Monster zu töten, die von Monstern umgeben waren, dann musste er aber ganz schnell mit Lorquin zu seinem Stamm zurück und denen mal erzählen, wie idiotisch   –
    Zum dritten Mal erklang das Gurren und nun klang der Nachtdolf entschieden ungeduldig.
    Das Problem war, dass er nicht wusste, wo genau Lorquin sich gerade versteckte. Der Vogelgesang erklang in der abendlichen Luft wie Vogelgesang eben klingt, ohne den geringsten Hinweis auf die Richtung, aus der er kam. Und wenn er dem Jungen jetzt nicht sofort wie ein vernünftiger älterer Bruder ins Gewissen redete, dann war Lorquin genau der Typ, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, gleich den ganzen Vaettir-Staat anzugreifen. Henry hätte fast laut aufgestöhnt, biss sich aber gerade noch auf die Zunge. Wenn er wenigstens einige Vaettire ablenkte,würde es die Sache für Lorquin ein wenig leichter machen, obwohl das Ganze immer noch ein Selbstmordkommando blieb. Aber wenn er überhaupt nichts unternahm, dann würde Lorquin den Draugr vielleicht gar nicht angreifen und in diesem Fall wären sie beide in Sicherheit, könnten sich leise davonstehlen und er könnte mit Lorquin in Ruhe reden und   –
    Diesmal war klar, aus welcher Richtung das Gurren kam   – auf jeden Fall von irgendwo unter ihm. Lorquin bewegte sich auf die Vaettire zu! Henry stöhnte nun doch laut auf, aber das war jetzt auch schon egal. Lorquin hatte ihm gar keine Wahl gelassen.
    Henry rappelte sich auf und stolperte in den Aufwind. Er konnte sehen, wie unter ihm die Vaettire ruckartig die Köpfe hoben, als sie seinen Geruch aufnahmen. Einige würden ihn wohl verfolgen, andere nicht. Sie würden ihn wahrscheinlich ohnehin erwischen, ganz gleich wie. Aber was machte das schon aus. Das Ganze war, wie vieles andere in seinem Leben, eine einzige Katastrophe.
    »Hey, ihr da!«, schrie Henry auf das Gewimmel der Vaettire hinunter. »Kriegt mich doch!«

FÜNFUNDFÜNFZIG
    A m Ende dachte Blue, dass sie vielleicht doch einen großen Fehler gemacht hatte.

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