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Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brennan
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Bewässerungssystem angelegt haben, um das Land der Wüste abzuringen.
    Aus größerer Nähe entpuppten sich die Anwohner als Individuen in grünen Gewändern und mit Tonsur, alle ausnahmslos männlich. Sie war also dabei, sich einer Gemeinschaft von Mönchen zu nähern. Da fiel ihr ein, dass sie vielleicht gar nicht so willkommen sei. Auch in ihrem eigenen Land gab es rein männliche Klostergemeinschaften, bei denen der schiere Anblick einer Frau ausreichte, alle davonrennen zu lassen. Aber es war schon zu spät. Ihre aufziehbare Kutsche rollte bereits auf steinigem Boden, der allmählich in eine grob gepflasterte Straße überging. Eine der Gestalten im grünen Gewand, ein dünner, beinahe vertrockneter Mönch, dessen Haut in der Wüstensonne zu Leder geworden war, löste sich von seinen Gefährten und kam auf sie zu.
    »Willkommen, junger Mann«, sagte er ernst. Blue blinzelte, dann fiel es ihr wieder ein.

SECHSUNDFÜNFZIG
    H enry rannte.
    Der Boden unter seinen Füßen war holprig und er konnte nicht mehr als ein oder zwei Meter weit sehen. Unter normalen Umständen hätte er in einer solchen Situation niemals versucht zu rennen. Unter normalen Umständen wäre er schon gestolpert, wenn er es nur versucht hätte. Aber er wurde motiviert durch das Geheul hinter ihm   – und von der Geschwindigkeit, mit der die weißen Schemen aufholten. Henry rannte schnell.
    Je schneller er rannte, desto klarer wurde sein Kopf. Er wusste, dass er sterben würde. Er hatte überhaupt keine Chance, den Vaettiren zu entkommen und   – angesichts der großen Zahl   – zu überleben, wenn sie ihn erst einmal eingeholt hatten. Aber diese Erkenntnis löste merkwürdigerweise keinerlei Angst mehr in ihm aus. Stattdessen war an die Stelle der Furcht, die er zuvor empfunden hatte, nun eine vollkommene Ruhe getreten. Er stellte fest, dass er an seine Mutter und Charlie dachte, an die Schule und die Prüfungen. Er dachte an Blue und daran, was für einen Trümmerhaufen er aus ihrer Beziehung gemacht hatte. Er fragte sich, wieso er schon so viel Lebenszeit hinter sich gebracht hatte, ohne zu wissen, was er eigentlich wollte, geschweige denn, wie er es erreichen sollte. Es kam ihm so vor, als sei er jahrelang nur von seiner Mutter herumgeschubst worden, und wenn er nicht von seiner Mutter herumgeschubst wurde, wurde er von den Umständen zu irgendetwas gedrängt. Er hatte so viel Zeit mit dem Versuch verbracht, das Richtige zu tun, aber meistens war das, was er dann für das Richtige hielt, nur das, was andere von ihm wollten. Er hatte noch nie gern andere Menschen vor den Kopf gestoßen, und so hatte er sich einfach gefügt. Er wünschte, Mr Fogarty würde noch leben. Mr Fogarty war es irgendwie gelungen, das Richtige zu tun, ohne sich darumzu scheren, ob das andere vor den Kopf stieß oder nicht. Mr Fogarty raubte Banken aus, Himmel noch mal, wenn er dachte, das wäre das Richtige.
    Jetzt, wo er sterben würde, kam Henry der Verdacht, er könnte sein ganzes Leben nur vergeudet haben.
    Aber vielleicht musste er ja doch nicht sterben. Er war sich nicht ganz sicher, aber die Vaettire, die ihn verfolgten, schienen etwas zurückzufallen. Vielleicht waren sie wie Geparde   – sehr schnell auf kurzen Strecken, aber ohne viel Ausdauer. Vielleicht konnte er ihnen doch davonlaufen, wenn er diese Geschwindigkeit beibehielt.
    Mit seiner neuen Klarheit im Kopf begriff er, dass dies wirklich einen Sinn ergab. Lorquin war vielleicht seltsam, aber er war ein anständiger Junge. Er hätte Henry   – seinen Gefährten   – doch wohl kaum darum gebeten, praktisch Selbstmord zu begehen, damit er, Lorquin, zum Mann werden konnte. Das Unterfangen war vielleicht riskant   – Leute, die in der Wüste lebten, waren Risiken gewohnt   –, aber doch wohl nicht lebensgefährlich riskant, wie gefährlich es auch aussah. Schließlich war es Lorquin, der sich als Mann beweisen musste. Für Henry bestand wahrscheinlich gar kein echtes Risiko. Er musste einfach nur gleichmäßig weiterlaufen und darauf warten, dass die Vaettire müde wurden und   –
    Die Erde bebte.
    Henry kam aus dem Rhythmus, dann aus dem Tritt, und dann verlor er die Balance. Er stürzte vorwärts zu Boden und schlug hart auf. Er fand sich wieder auf einem Untergrund aus Fels und Sand, sein verletztes Bein schmerzte, und sein Mund füllte sich langsam mit Sand, aber das spürte er kaum. Der Boden unter ihm zitterte, und in seinem Kopf hallte ein tiefes unterirdisches Dröhnen wider, das

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