Elfenlord
sie hätte es trotzdem besser wissen müssen. Männer mochten es überhaupt nicht, wenn man ihnen nachstellte, und junge Männer noch viel weniger. Sie musste verrückt gewesen sein, als sie Henry bat, sie zu heiraten. Jeder Schwachsinnige hätte ihr vorhersagen können, was er tun würde. Madame Cardui
hatte
ihr in der Tat vorhergesagt,was er tun würde, aber die kleine Blue hatte ihren Rat natürlich missachtet. Sie seufzte. Wo war Henry jetzt wohl? Immer noch zu Hause in der Gegenwelt natürlich, aber hatte er inzwischen eine feste Freundin? Gab es jemanden in seinem Leben, der seine Hand nahm, ihm über das Haar strich und dafür sorgte, dass er sich ein bisschen besser fühlte? Es war töricht, aber sie fühlte, wie eine Traurigkeit in ihr aufstieg, die größer war als ihre Schuldgefühle wegen des Bürgerkriegs.
Die Dämonen waren plötzlich an ihrer Seite. Blue zuckte zusammen – sie würde sich nie an die Geschwindigkeit gewöhnen können, mit der sich diese Kreaturen bewegten … oder an ihren automatischen Widerwillen gegen diese Spezies. Aber sie wollten ihr natürlich nichts Böses anhaben. Ihre roten Augen starrten geradeaus, ihre Körper hatten Verteidigungshaltung angenommen. Dies waren jetzt ihre Untertanen, ob es ihr gefiel oder nicht, und sie würden sie beschützen, ohne auch nur einen Gedanken an ihr eigenes Leben zu verschwenden. Und sie hatten etwas entdeckt.
Blue folgte ihrer Blickrichtung, um herauszufinden, was sie in Alarmbereitschaft versetzt hatte. Das schaurige Schlachtfeld erstreckte sich düster in alle Richtungen, aber auf einem entfernten Hügel tauchten die Umrisse einer Gestalt auf; und da diese Gestalt aufrecht stand, war sie auch keine Illusion. Die Dämonen beobachteten sie aufmerksam und schnatterten leise miteinander mit diesen merkwürdigen Schnalzlauten, die wie das Klappern von Krebsscheren klangen und die sie einsetzten, wenn die Möglichkeit der Telepathie blockiert war.
»Rührt euch«, sagte Blue leise. Es tat sich kaum etwas. Beide Wächter zuckten nur kurz und beobachteten die herannahende Gestalt wie eine Katze, die einen Vogel ins Visier nimmt. Sie befürchtete, dass diese Wesen eines Tages einen Unschuldigen aufschlitzen würden, irgendeinen armen Untertanen vielleicht, der zu ihr kam, um eine Petition zu überreichen. Bislang war das nicht geschehen: DieDisziplin der Dämonen war außergewöhnlich. Aber sie machte sich trotzdem Sorgen.
Die Gestalt war offenbar ein Bote, das schloss sie aus dem seltsam hüpfenden Gang. Während er näher kam, entpuppte er sich als Tranceläufer, deutlich zu erkennen an den Zeichen seiner Zunft. Die Augen des Mannes waren fixiert auf einen Punkt hoch oben am Himmel, während seine Hände einen kunstvoll verzierten Zeremoniendolch umklammerten, den er auf und ab schwang wie ein Staffelholz. Irgendwie gelang es ihm, alle Hindernisse zu umgehen.
»Abtreten«, befahl Blue bestimmt. Schon der Dolch konnte einen Angriff auslösen, aber die Dämonen würden sich nur dann rühren, wenn die Kaiserin direkt bedroht wurde.
Obwohl der Läufer gar nicht in der Lage war, sie zu sehen, kam er ein paar Meter von ihr entfernt diskret zum Stehen. Licht allein wusste, welche Entfernung er zurückgelegt hatte, aber er atmete nicht einmal besonders heftig. Sein Blick senkte sich allmählich und wurde wieder klar, dann sank er auf die Knie. »Majestät«, sagte er und streckte den Dolch aus, das Heft zuerst.
Blue nahm die Waffe. Die Geste drückte symbolisch aus, dass der Mann der Zunft ihr nichts Böses wollte, aber sie beinhaltete noch etwas anderes. Geschickt schraubte Blue das Heft des Dolches auf und zog ein Stück Pergament aus dem hohlen Griff. Es dauerte einen kurzen Moment, bis die eingebauten Sicherheitszauber den Duft der Kaiserin überprüft hatten, dann entrollte sich das Pergament auf die Größe einer üblichen Botschaftsrolle des Palastes.
Als Blue zu lesen begann, weiteten sich ihre Augen in plötzlichem Schrecken.
SECHS
D a Kaffee auf Elfen eine psychedelische Wirkung ausübte, kochte Henry für sie alle eine Kanne Tee. Nymph starrte noch misstrauisch auf ihren Becher, als Pyrgus den Tee schon probiert hatte und ihn nun in großen Schlucken trank, während er sprach.
»– weil es im Cretch war«, sagte Pyrgus. »Die Nachtelfen haben ihr eigenes Gesundheitswesen, und ich fürchte, zwischen ihrem und unserem gibt es immer noch nicht viel Zusammenarbeit. Ich glaube allerdings auch nicht, dass es viel geändert hätte.
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