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Elfenmeer: Roman (German Edition)

Elfenmeer: Roman (German Edition)

Titel: Elfenmeer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Qunaj
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konnte er sein Ziel nicht verfehlen. Er wusste, dass Averon seine Gefangenen in einem Turm des inneren Mauerrings festhielt, der ihm als Verlies diente. Das hatte Arn den Piraten erzählt, ehe er zum Verräter geworden war. Im Nachhinein schien es Avree, als hätte sein Sohn nicht gewusst, welcher Seite er helfen und welche er verraten sollte. Er hatte beiden Informationen gegeben, hatte beide benutzt. Doch am Ende hatte er eine Entscheidung getroffen, und diese würde ihm nun sein Leben kosten. Er war zu weit gegangen. Auf dieses Ziel würde Avree zusteuern, sobald Nayla in Sicherheit war. Vielleicht hatte er aber auch Glück, und Arn lief ihm schon jetzt über den Weg. Ein Verrat, wie ihn sein Sohn begangen hatte, war nicht zu verzeihen und musste mit dem Tod gesühnt werden.
    Die Fensterläden der meisten Häuser standen offen, um ein wenig Nachtkühle ins Innere zu lassen, auch wenn es für Avrees Geschmack immer noch viel zu warm war. Inmitten dieser nach süßer Fäulnis riechenden Hitze fiel es ihm schwer zu atmen, dabei durfte Hitze ihm doch gar nichts ausmachen. Die Feuchtigkeit und der Gestank hatten aber nichts mit dem reinen Brennen seines Feuers gemein. Hier schien alles verdorben und am Rande der Verwesung. Kein Wunder, dass die Bewohner dieser Stadt kein Gewissen hatten und auch ihre Herzen vergiftet waren. Draußen auf dem Meer konnte einem Elfen nichts dergleichen passieren. Nein, draußen auf dem Meer verfiel ein Elf einer ganz anderen Art von Wahnsinn.
    Avree schüttelte seufzend den Kopf und schlich rasch eine weitere finstere Gasse hinauf. Hin und wieder sah er Schatten in finsteren Ecken lauern oder bemerkte eine schnelle Bewegung, aber Avree fürchtete keinen Überfall. Er hätte jeden Angreifer verbrannt, ehe er selbst in Gefahr geraten wäre. Zudem bewegte er sich viel zu schnell und war meist schon fort, bevor ihn überhaupt jemand erkennen konnte. Er war lediglich ein weiterer geheimnisvoller Schatten im nächtlichen Riniel.
    Die schimmernden Dächer des Palastes kamen in Sicht, und Avrees Herzschlag beschleunigte sich. Dort vorn irgendwo war Nayla, und jeder Moment konnte über Leben und Tod entscheiden. Vielleicht stand gerade jetzt ein Rinieler mit einem Messer vor ihr und war drauf und dran, ihr die Kehle durchzuschneiden. Womöglich kam er nur einen winzigen Augenblick zu spät …
    Er lief noch schneller, seine Füße schienen kaum noch den Boden zu berühren. Sein eigenes Keuchen war das einzige Geräusch in seinen Ohren, und die Fackeln auf den Wehrgängen der inneren Mauern das Einzige, was er noch sah.
    Er musste rechtzeitig ankommen, sie befreien. Wenn es sein musste, würde er die ganze Stadt in die Luft jagen, er würde alles und jeden verbrennen, solange er mit Nayla unversehrt entkam. Jetzt war er hier in Riniel und hatte die Möglichkeit, den Fürsten und all seine grausamen Anhänger zu töten. Und er würde diese Möglichkeit nutzen – aber zuerst musste er Nayla retten. Alles andere war zweitrangig, das musste er sich in seiner Anspannung immer wieder sagen. Zu groß war die Gefahr, dass er erneut das Wesentliche aus den Augen verlor und eine Waghalsigkeit beging. Er versuchte, sich Naylas Stimme vorzustellen, und überlegte, was sie wohl an seiner Stelle tun würde.
    Die Gasse endete, und die Sicht auf den Palast verschwand auf Grund von hohen Mauern, sodass Avree in eine Seitengasse eintauchte. Er musste sich nach oben bewegen, immer nur nach oben. Er rannte, ohne langsamer zu werden, und stolperte plötzlich über etwas, das ihm gegen den Bauch stieß. Avree versuchte sein Gleichgewicht zu halten, stützte sich mit den Händen an einer Hausmauer ab und fuhr herum. Flammen schossen aus seinen Fingern, bereit zu verbrennen, und in deren Licht sah er plötzlich einen kleinen Jungen vor sich stehen. Ein Menschenjunge mit nacktem Oberkörper, die Rippen zeichneten sich deutlich unter der spröden Haut ab, während der Bauch ungewöhnlich aufgebläht war. Dunkle Augen starrten auf das Feuer in seinen Händen, und der kleine Körper war starr, als wäre er versteinert.
    Avree wollte sich umdrehen und weiterlaufen, keine Zeit mehr verschwenden, aber der Anblick des verängstigten Jungen ließ ihn innehalten.
    Sie befanden sich nahe dem Palast, und so erstickte Avree das Feuer sofort wieder, damit niemand das Leuchten bemerkte.
    »Was machst du hier?«, fragte er den Jungen, bemüht, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen.
    Der Kleine zuckte mit den Schultern.

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