Elfenmeer: Roman (German Edition)
Avree wusste, dass die Heilung zu spät erfolgt war, um die Narben völlig verschwinden zu lassen.
»Er hat sie geheilt«, hörte er die Stimme einer Frau hinter sich, die ihn daran erinnerte, dass er nicht allein war.
Ein Vulkan brodelte in seinem Inneren, als er daran dachte, wie sehr Nayla gelitten haben musste. Vor Anspannung bebend nahm er seine Hände von Nayla und drehte den Kopf zur Seite.
»Dafür werdet ihr brennen.« Feuer loderte in seiner Faust auf, und als Avree die Finger abrupt streckte, schossen die Flammen auf die beiden Elfen zu.
»Marinel!« Der hellhaarige Elf schlang seine Arme um seine Kameradin und warf sie zu Boden, das Feuer schlug über ihnen in die gegenüberliegende Steinwand.
»Halt!«, rief der Elf und fuchtelte mit den Händen, als er sich aufzurichten versuchte. Sein Blick aus dunklen Augen haftete auf den Flammen in Avrees Hand. »Wir haben ihr nichts getan! Wir haben nur versucht, ihr zu helfen!« Der Elf schob sich langsam vor die Frau zu seinen Füßen, und Avree entging nicht, wie seine Hand zum Schwertgriff glitt.
»Netter Versuch«, knurrte Avree und ließ die Flammen los, doch da schrie plötzlich die Frau auf dem Boden auf und eine Windböe flog ihm entgegen. Das Feuer änderte seine Richtung und raste zurück auf ihn zu. Avree fing es auf, es konnte ihn nicht verbrennen, und doch ärgerte ihn die Macht dieser Elfe. Diese Magie der Luft kam ihm bekannt vor, und als er die Elfe in den weiten weißen Gewändern genauer betrachtete, fiel ihm ein, woher. Sie hatte auf dem feindlichen Schiffgegen ihn gekämpft. Sie war stark gewesen. Aber nicht stark genug. Avree würde sie vernichten.
»Du magst einmal Glück gehabt haben«, sagte er und blickte der Frau in die grünen Augen. Er beobachtete sie, wie sie sich langsam erhob und sich eine goldene Haarsträhne aus dem aufgeschürften Gesicht strich. Dabei bemerkte er, dass ihr mehrere Finger an der rechten Hand fehlten. Genauso wie Nayla. Blanker Hass strömte durch ihn hindurch.
Hatte sie Nayla das angetan? Wollte sie Nayla genauso verstümmeln?
»Heute wirst du sterben.«
»Das werden wir ja sehen.« Die Elfe blickte ihm ohne Angst in die Augen, ihr Antlitz eine Maske der Entschlossenheit. Ihre Arme hingen entspannt an ihren Seiten, aber in dem Moment, in dem Avree ihr weiteres Feuer entgegenschleuderte, riss sie ihre Hände in die Höhe, und von einem Moment auf den anderen begann sich die Luft im Inneren des Turms zu drehen. Sie fing sein Feuer ein und löschte es mit der erstickenden Macht dieses Elements.
»Ihr werdet dem Richter gegenübertreten, Feuerprinz«, rief die Elfe über das Tosen des Windes. »Genauso wie die Menschenfrau.«
Avree sprang auf die Beine. Ein Schrei entrang sich seiner Kehle, als er sich gegen die zerrenden Böen stemmte. »Du hättest laufen sollen, als du noch konntest.« Avree atmete tief durch, er war bereit, all seine Macht loszulassen, doch dann vernahm er eine Bewegung an der Tür. Sein Körper gefror zu Eis, und als die Elfe seinem Blick folgte, erstarb auch der Wind.
»Arn, verschwinde von hier!«, rief die Elfe, wütend und besorgt zugleich. Doch sein Sohn trat in den Raum und blickte Avree in die Augen. Hass stand in den seinigen, und Avreekonnte nicht glauben, dass er dieses Gefühl nie zuvor an ihm bemerkt hatte.
»Verräter.« Es war kaum mehr als ein Flüstern, und Avree hatte gar keine bewusste Entscheidung dazu getroffen, seinen Gedanken laut auszusprechen, doch dieses Wort war alles, was seinen Kopf beherrschte. »Verräter.«
Arn führte seine Hand an seinen Gürtel und wies auf Nayla. »Du hast mein Werk bereits bewundert … Vater?«
» Du warst es?« Natürlich, wieso war er nicht gleich darauf gekommen? » Du hast ihr das angetan.«
»Deine Hure hat bekommen, was sie verdiente. Und jetzt bist du an der Reihe.«
Hure. Dafür stand das »H« auf Naylas Wange. Wie krank musste eine Seele sein, um so viel Hass auf Unschuldige zu richten? »Wieso auch immer du glaubst, ich hätte dir unrecht getan, wieso auch immer du meinst, deine eigenen Leute verraten zu müssen …«
» Ihr wart niemals meine Leute!« Arn riss sich den Gürtel von seinen Hüften und schlug ihn durch die Luft. »Ich war niemals ein Pirat.«
»Du bist mehr Pirat, als du denkst. Und gleich wirst du ein toter Pirat sein.« Avree machte sich gerade bereit, seinen Sohn zu verbrennen, als er ein Flüstern zu seinen Füßen vernahm. Es war kaum zu verstehen, und doch ließ es alles andere unwichtig
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