Elfenmeer: Roman (German Edition)
gerechter Prozess und eine ordentliche Hinrichtung!«
»Die Folter hat dem Fürsten beschert, was er will.« Arn hielt das beschriebene Pergament in die Höhe. »Der Weg zum Unterwasserpalast.«
»Den hätten wir auch so gefunden. Du warst doch schon häufiger dort, oder etwa nicht? Bist du zu dumm, um dir einen einfachen Weg zu merken?«
Arns mandelförmige Augen verengten sich noch weiter, und Blitze schienen darin aufzuleuchten. »Die Riffe und Untiefen kennen einzig die Kapitäne. Die Bucht ist ein Labyrinth, das jeden Unwissenden auf den Grund des Meeres bringt.«
Valuar schüttelte den Kopf und zog sein Schwert ein Stück weit heraus. »Das ist kein Grund zur Folter. Auch im Krieg gibt es Grenzen. Auch im Krieg gibt es Ehre. Jetzt geh mir aus dem Weg.«
Arn straffte die Schultern, und seine Hand bewegte sich zum Gürtel. »Was willst du von der Menschenfrau? Sie ist nicht mehr zu retten. Ich habe bekommen, was ich wollte, jetzt wird sie sterben und mit ihr der Feuerprinz.« Mit einem Schnalzen löste er den sternenbesetzten Gürtel und ließ ihn durch die Luft wirbeln. Marinel streckte die Hand aus. »Nein!«
Arn fuhr zu ihr herum, und die Sterne blitzten in ihren Augenwinkeln auf. Der Windhauch streifte ihre Wange, und Marinel fürchtete einen Augenblick lang, der Gürtel würde sich um ihren Hals schlingen, doch er sank zurück an Arns Seite. Verzweiflung spiegelte sich in seinem Blick. »Marinel, du verstehst das nicht. Ich musste es tun.« Er wies auf die Kapitänin. »Du weißt doch, was sie angerichtet, was sie mir genommenhat. Ich hatte keine andere Wahl. Sie ist ein Pirat, genauso wie mein Vater. Sie müssen sterben.«
»Aber nicht durch deine Hand, Arn. Nicht so.« Vorsichtig ging sie auf ihn zu, dabei warf sie Valuar einen flüchtigen Blick zu. Der nickte und schlich sich sofort hinter Arns Rücken zur Piratin, wo er sich daranmachte, die Frau loszuschneiden. Einzig ihr Wimmern und Stöhnen bewies, dass sie noch am Leben war. »Ich weiß, wie sehr du diese Frau hasst. Ich weiß, dass sie dir jede Hoffnung genommen hat. Durch sie verlierst du deinen Vater. Er wird gemäß seinem Schwur sterben, und du wirst allein zurückbleiben. Ich verstehe dich, Arn.« Sie musste ihn beruhigen. Jetzt war es am wichtigsten, dass Arn seine gefährliche Waffe fallen ließ, ehe ein Unglück geschah. »Arn, was du getan hast …« Sie blickte auf all das Blut, selbst das Gesicht der Frau war verunstaltet. Arn hatte etwas in die bronzefarbene Wange geschnitten, das wie ein »H« aussah. »Ich dachte, du würdest sie einem Prozess zuführen, würdest sie in einem gerechten Kampf herausfordern, aber das hier …«
Arn breitete die Arme aus. In der einen Hand hielt er seinen Gürtel, in der anderen das Pergament. »Sie hat es verdient, Marinel! Du weißt es. Du verstehst es! Sie …« Er kam auf sie zu, seine Stimme begann zu zittern. »Ich dachte, ich hätte dich verloren.«
Marinel erstarrte, und aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Valuar aufblickte. Er war gerade dabei, seinen Arm unter die Achseln der Menschenfrau zu schieben, um sie zu stützen und vom Stuhl zu heben. Sein Blick traf den ihrigen, und Marinel ballte die Hände zu Fäusten. Ein Schatten fiel auf sie, und als sie hochblickte, türmte sich Arn vor ihr auf. »Ich dachte, sie hätten dich getötet und … ich konnte es einfach nicht ertragen.«
»Aber ich bin nicht tot.« Marinel ergriff seinen Arm und strich mit ihren Fingern langsam hinunter zum Gürtel in seiner Hand. »Ich lebe, du hast keinen Grund, Rache zu üben.« Bei den Sternen, sie hatten sich doch nur kurz gekannt! Natürlich hätte die Nachricht von Arns Tod auch ihr weh getan, aber sie wäre deshalb doch nicht zu einem blutrünstigen Monster geworden! Wer war dieser Mann, der einst so süße Worte zu ihr gesprochen hatte?
Vorsichtig schloss sie ihre Hand um die scharfen Sterne und zog ein wenig daran. Sie blickte Arn in die Augen, und nach kurzem Zögern ließ er tatsächlich los, sodass Marinel den Gürtel zu Boden gleiten lassen konnte.
»Du verstehst, was Hass ist«, flüsterte er und ergriff ihre Rechte mit den drei Fingern. »Wenn du könntest, würdest du doch auch Rache nehmen.« Er wies mit dem Kopf zu Valuar und sah ihr dann eindringlich in die Augen.
Marinel konnte ihn nicht ansehen, verspürte bei seinem intensiven Blick nicht mehr das aufregende Kribbeln, sondern nur noch Übelkeit. Stattdessen schaute sie zu Valuar, der mit zusammengezogenen Augenbrauen in ihre
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