Elfenmeer: Roman (German Edition)
Bord gegangen, um mit den Haien zu schwimmen. Immer seltener kreuzten Handelsschiffe ihren Weg, und manchmal waren sie in derart zahlreicher Begleitung, dass sie sie wohl oder übel davonsegeln lassen mussten. Gegen Schattenkristalle und eine Überzahl von fünf zu eins kamen sie nicht an. Doch jetzt schien es eine Gelegenheit zu geben, Riniel mal wieder ordentlich vor die Füße zu spucken, und das zauberte nicht nur Nayla, sondern auch Avree ein Lächeln ins Gesicht.
Hintereinander rannten sie die Treppe aufs höher gelegene Quarterdeck hinauf, wo sich ein feuchter Nebel aufs Schiff gelegt hatte. Kein Wunder, dass die Feinde erst so spät entdeckt worden waren. Schwarz zeichneten sie sich vor dem düsteren Schleier ab und taten anscheinend alles, um den Piraten zu entkommen. Zwei Schiffe eskortierten die Händler,und Nayla fragte sich, ob sie wieder einmal Schattenkristalle geladen hatten.
Sie warf einen Blick zu Avree, der Befehle brüllte und auf die Bordwand sprang. Mit einer Hand hielt er sich an den Wanten des Besanmasts fest und verneigte sich vor der steuerbord liegenden Freiheit – das Zeichen für den Kampf. Er war bereit. Koralle tat es ihm auf seinem Schiff gleich, und auch Flosse zog seinen Hut, ehe sich sein ganzes Schiff scheinbar in Luft auflöste.
Nayla sah sich nach ihrer Widerstand um. Sie musste sofort auf ihr Schiff, um es in den Kampf zu führen. Alle anderen jagten dem Feind bereits hinterher. Aber wo war es? Sie sah nach steuerbord und versuchte hinter der Freiheit etwas auszumachen, nach backbord, wo der Feind davonzusegeln versuchte, dann drehte sie sich um und blickte wieder nach vorn über den Klüverbaum hinweg. Beinahe wäre sie vor Schreck vom plötzlichen Stampfen des Schiffes umgeworfen worden. Schnell griff sie nach den Wanten und starrte auf ihre Widerstand , die gerade beidrehte und dem Feind nachsetzte. Ihr kleiner Bruder Chip stand auf der Reling des Quarterdecks und verneigte sich vor dem Korallenfürsten, als wäre er der Kapitän. Seinen dreimal verfluchten Hut schwang er dabei genauso wie Flosse vorhin.
»Du kleiner …« Um Atem ringend sah sie sich nach den Beibooten um, doch niemand schien ihre Aufregung zu bemerken. Alle waren damit beschäftigt, sich auf den Kampf vorzubereiten, und liefen zielgerichtet an ihre Positionen. Das durfte doch nicht wahr sein! Chip glaubte doch wohl nicht ernsthaft, dass er ihr Schiff befehligen konnte!
»Na warte …« Ohne sich um die Kampfvorbereitungen zu kümmern, rannte sie über die Laufbrücke zum Vordeck. Auch Avrees Ewigkeit drehte bei, um die Rinieler einzuholen,und so zog ihre Widerstand direkt an ihr vorbei, während sie sich auf dem Bug mitdrehte. Über beide Ohren grinsend winkte Chip ihr zu und rannte hoch zum Steuerrad, wo sein gleichaltriger Kumpan auf ihn wartete.
Hitze stieg ihr in den Kopf, und Nayla hatte das Gefühl, er würde jeden Moment platzen.
»Komm sofort vom Ruder weg!«, schrie sie so laut durch den Nebel, dass sogar die Rinieler sie hören mussten, doch Chip lachte nur in ihre Richtung und gab anscheinend Anweisungen an die Männer in der Takelage. Dann legte er seine Hände aufs Steuerrad und blickte stur geradeaus.
»Wage es nicht …«, kreischte Nayla und stieg auf die Reling. Sie würde diesen kleinen Wichtigtuer über die Planke gehen lassen. »Das ist Meuterei! Spiel dich ja nicht als Kapitän auf, hörst du? Dreh sofort bei, Chip, oder ich häng dich in den Wanten auf, bis die Sonne dich kohlrabenschwarz gebrannt hat! Hörst du mich?! Chip!«
Ihr Bruder ignorierte sie weiterhin, und so sah Nayla keine andere Möglichkeit mehr. Die Ewigkeit segelte fast gleichauf mit der Widerstand , und wenn sie jetzt ins Wasser sprang, könnte sie rüberschwimmen. Ihre Mannschaft würde ihr ein Tau zuwerfen, und wenn sie erst mal wieder an Bord war, konnte sie Chip die Leviten lesen. Nie wieder würde er es wagen, das Kommando zu übernehmen. Dass die Mannschaft ihm folgte, lag einzig und allein daran, dass Nayla bestimmt hatte, Chip solle im Falle ihrer Abwesenheit den Befehl führen. Aber sie war schließlich nicht abwesend! Sie würde gleich drüben sein. Außerdem hatte sie nicht ahnen können, dass sie in einen Kampf geraten würden, während sie sich auf Avrees Schiff vergnügte, und dieser vermaledeite Nebel hatte den Feind verborgen. Jetzt musste sie zusehen, wie sie diesen Fehler wieder rückgängig machen konnte.
»Dies ist deine letzte Gelegenheit, Chip!«, rief sie noch einmal zur Widerstand
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