Elfenmeer: Roman (German Edition)
weiter.
»Wenn du das tust, Arn, dann …«
Der Halbelf warf ihr einen feindseligen Blick zu. »Dann tust du was, Nayla? Was willst du mir denn noch antun?«
»Ich …« Wie mit Eiswasser übergossen hielt sie inne und verharrte regungslos. Aus großen Augen sah sie in das verbitterte Antlitz des Halbelfen und versuchte, seine Worte zu begreifen.Jeder Zorn war aus ihrer Seele gewichen, stattdessen herrschte nur noch Verwirrung. Verwirrung und Schmerz. »Was …?«
Arn schüttelte den Kopf und zog sie weiter. »Komm jetzt.«
»Arn, ich …« Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Schon immer hatte sie die Feindseligkeit gespürt, die Avrees Sohn ihr gegenüber hegte. Bisher hatte sie stets gedacht, dass er um seine Mutter trauerte und sie, Nayla, nicht an Avrees Seite sehen wollte. Doch diese Dinge mussten endlich aus der Welt geschafft werden. Es war Zeit, darüber zu sprechen, auch wenn Avree stets meinte, sie bilde sich alles nur ein. Wenn nur die feindlichen Schiffe nicht wären, denen sie sich nun unaufhaltsam näherten.
Nayla warf einen Blick zum Feuerprinzen und sah, wie dieser behände auf die Rah hochkletterte, um dabei zu helfen, das Besansegel zu trimmen. Er machte lieber alles selbst, und jetzt, da die Zeit drängte, wurde er unruhig und konnte die wenigen Augenblicke bis zum Kampf nicht einfach auf dem Quarterdeck stehen, um das Geschehen zu überblicken. Doch Nayla hatte keine andere Wahl. Während Arn ein Tau löste und es um die Reling schlang, sah sie zur Freiheit hinüber. Dort erkannte sie die Königin, die neben Koralle auf dem erhöhten Quarterdeck stand. Ihre Haltung war angespannt, das erkannte Nayla selbst aus der Entfernung, denn sie wankte immer wieder und ging nicht mit den Bewegungen des Schiffes mit. Vielleicht fürchtete sie den Kampf – aber vielleicht hoffte sie auch auf ihre Befreiung?
Nayla hatte keine Gelegenheit mehr, sich weitere Gedanken darüber zu machen, denn die erste Pfeilsalve ging auf die Ewigkeit nieder. Fluchend wich sie zurück und brachte sich hinter dem Vormast in Sicherheit, ehe Arn reagieren konnte. Ein Blick zurück verriet ihr, dass der Halbelf sich hinter eineWaffenkiste geduckt hatte und dort verharrte, während weitere Pfeile aufs Deck prasselten.
Nayla spähte wieder nach vorn, um zu sehen, was ihr unsäglicher Bruder mit ihrem Schiff anstellte, doch noch befand es sich über Wasser. Ihre Segel waren aber derart mit Pfeilen gespickt, als wären sie ein Nadelkissen. Dieser verfluchte Narr hätte die Segel einholen müssen, schließlich hielt Koralle das Meer unter Kontrolle und steuerte alle Piraten sicher ans Ziel! So, wie es aussah, führten die Rinieler auch keine Schattenkristalle mit sich, denn Flosses Schiff war vollkommen verschwunden und die anderen glitten leicht über die Wellen, getragen von der Magie. Dieser Kampf würde schnell vorbei sein! Doch plötzlich änderten die Rinieler ihre Taktik und sandten Brandpfeile zu ihnen herüber. Welch dumme Idee! Wer schickte denn dem Feuerprinzen Brandpfeile?
»Nayla.« Plötzlich war Arn wieder an ihrer Seite und zog sie vom Mast weg. Er hielt das Seil in der Hand, doch Nayla riss sich los.
»Hör auf«, sagte sie und starrte immer noch zu Avree hinüber. Zu ihrer Überraschung blickte Arn in dieselbe Richtung und unternahm keinen Versuch mehr, sie festzuhalten. Stattdessen hörte sie ihn nur ein leises »Nein« murmeln.
Wie zu erwarten, reagierte Avree mit Magie auf den neuen Angriff der Rinieler, denn das Feuer aller Pfeile, die auf die Schiffe niedergingen, raste auf ihn zu, wurde von ihm angezogen wie die Motte vom Licht. Avree sprang das letzte Stück vom Mast zurück an Deck und breitete die Arme aus, während die vielen winzigen Leuchtpunkte auf ihn zurasten. Dann prallten sie auf seinen Körper, und Avrees Gestalt ging lichterloh in Flammen auf.
»Wunderbar«, seufzte Nayla und strich sich mit beiden Händen über die Augen. Das Vordeck war genau wie das Quarterdeckerhöht, und so hatte sie eine gute Sicht auf den brennenden Kapitän. Ein feindliches Schiff zog an ihnen vorüber, und Speere prasselten an Deck. Der schmerzverzerrte Schrei eines Matrosen, der sich dummerweise nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatte, erscholl. Doch all das kümmerte Nayla nicht, denn sie starrte immer noch auf Avree. Im Moment konnte sie noch nicht einmal zu ihrer Widerstand blicken, denn beim Anblick des Feuers schien sich ihr Magen zu verknoten. Die Magie hätte längst wieder weichen müssen, die
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