Elfenstern
Welchen Grund hätte
ich? Du
hast mich die ganze Zeit belogen. Und du lügst auch jetzt.
Sicherheit! Ich habe
dich und deinen Bruder« – er spie das Wort aus
– »belauscht. Ich weiß von eurem
entzückenden Plan, mich zu verführen und dann zu
erpressen! Du gemeines Luder!«
Paithan wandte ihr den Rücken zu und stapfte zu
dem Pfad hinüber, der nach Griffith führte.
Stur setzte er einen Fuß vor den anderen, fest
entschlossen, den Schmerz und den Schrecken dieser Reise hinter sich zu
lassen.
Allerdings ging er nicht sehr schnell und verlangsamte seinen Schritt
noch
mehr, als er hörte, daß jemand ihm folgte.
Eine Hand berührte seinen Arm. Paithan blieb
nicht stehen und schaute sich nicht um.
»Ich hab’s verdient«, sagte
Rega. »Du hast recht
– ich bin ein gemeines Luder. Ich habe schreckliche Dinge
getan. Oh, ich könnte
dir erzählen« – sie hielt ihn am
Ärmel fest – »ich könnte dir
erzählen, daß es
nicht meine Schuld gewesen ist. Man könnte sagen, das Leben
war zu Roland und
mir wie eine Mutter: Wann immer wir uns umdrehen, schlägt es
uns ins Gesicht.
Ich könnte dir erzählen, daß wir dieses
Leben führen, weil uns keine andere
Wahl bleibt, aber das stimmt nicht.
Nein, Paithan! Schau mich nicht an. Eines will
ich noch sagen, und dann kannst du deiner Wege gehen. Wenn du von
unserem Plan
weißt, dann hast du auch gemerkt, daß ich nicht
mitgemacht habe. Das war kein
Edelmut von mir, sondern Selbstsucht. Wenn du mich anschaust, dann
komme ich
mir so … häßlich vor. Es stimmt, was ich
dir gesagt habe – ich liebe dich. Und
deshalb lasse ich dich gehen. Leb wohl, Paithan.« Ihre Hand
glitt von seinem
Arm.
Paithan drehte sich um, hielt ihre Hand fest,
küßte sie und schaute ihr mit einem reuigen
Lächeln in die braunen Augen. »Ich
bin auch nicht unbedingt der Hauptgewinn, mußt du wissen.
Sieh mich nur an. Ich
war bereit, eine verheiratete Frau zu verführen und sie zu
überreden, ihren
Mann zu verlassen und mit mir zu kommen. Ich liebe dich, Rega. Das war
meine
Entschuldigung. Aber die Dichter sagen, wenn man jemanden liebt, will
man nur
sein Bestes, und das heißt, du bist mir haushoch
überlegen, denn du wolltest
das Beste für mich.« Ein Hauch von Selbstironie
mischte sich in sein Lächeln.
»So wie ich.«
»Du liebst mich, Paithan? Du liebst mich
wahrhaftig?«
»Ja, aber …«
»Nein.« Sie legte ihm die Hand auf den
Mund.
»Nein, sag nichts mehr. Ich liebe dich auch, und wenn wir
beide uns lieben, ist
alles andere unwichtig. Nicht später, nicht jetzt, ganz gleich
was geschieht.«
Tod und Verderben. Die Worte des Magiers
ließen Paithan nicht los, doch er beschloß, sie zu
ignorieren. Er nahm Rega in
die Arme und verbannte seine Furcht energisch in einen dunklen Winkel
seines
Herzens, zusammen mit anderen nagenden Zweifeln, wie zum Beispiel
›Wohin soll
diese Liebe führen? Was wird aus Rega und mir?‹.
Paithan war nicht in der
Stimmung, sich über eine Antwort auf diese Fragen den Kopf zu
zerbrechen. Im
Augenblick waren die unmittelbaren Zukunftsaussichten durchaus
vergnüglich, und
alles andere zählte nicht.
»Ich habe dich gewarnt, Elf!«
Anscheinend war Roland des Wartens müde
geworden. Er und der Zwerg standen vor ihnen. Der Mensch hatte den
Raztar aus
dem Gürtel gerissen. »Ich habe dir gesagt, du sollst
die Finger von ihr lassen!
Schwarzbart, du bist Zeuge …«
Rega schmiegte sich in Paithans Umarmung und
lächelte ihrem Bruder zu. »Es ist vorbei, Roland. Er
kennt die Wahrheit.«
»Wirklich?« Roland starrte sie
verblüfft an.
»Ich habe ihm alles gesagt«, seufzte Rega
mit
einem langen Blick in Paithans Augen.
»Na, das ist ja großartig.
Phantastisch!« Roland
warf das Raztar auf den Boden und verbarg seine Angst hinter einem
Wutausbruch.
»Erst verlieren wir das Geld aus dem Waffengeschäft
und jetzt auch noch den
Elf. Wovon sollen wir in Zukunft leben …«
Der dröhnende Klang einer großen
Schlangenhauttrommel rollte durch den Dschungel und erschreckte die
Vögel, die
krächzend und schimpfend aufflogen. Wieder ein Trommelwirbel
und
noch einer. Roland lauschte mit angehaltenem
Atem, er war blaß geworden. Rega versteifte sich in den Armen
des Elfen, ihr
Blick wanderte in die Richtung der Ortschaft.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Paithan.
»Sie
geben Alarm. Die Trommel ruft die Männer zusammen, um das Dorf
gegen einen
Angriff zu
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