Elfenstern
wiederfand …
Der Älteste hob die Arme, das Zeichen zu
schweigen. Alle Versammelten und selbst das jüngste Wickelkind
verstummten
augenblicklich. Als er sah, daß alles bereit war, streckte
der Älteste die
Hände aus und ergriff die Hände der links und rechts
neben ihm Stehenden. Die
Patryn folgten seinem Beispiel und bildeten einen riesigen Kreis um das
Feuer.
Auch Haplo fand sich Hand in Hand zwischen einem kräftigen,
ungefähr
gleichaltrigen Mann links und einem jungen Mädchen rechts
wieder. Die Kleine
war puterrot, als Haplo ihre Hand nahm.
»Der Kreis ist geschlossen«,
verkündete der
Älteste und musterte mit einem Ausdruck von Stolz in seinem
faltigen und
wettergegerbten Gesicht sein Volk. »Heute nacht sind wir
zusammengekommen, um
Zeugen zu sein des Gelöbnisses von zweien aus unserer Mitte,
die ihren eigenen
Kreis bilden möchten. Tretet vor.«
Ein Mann und eine Frau lösten sich aus dem
Kreis, der sich hinter ihnen sofort wieder schloß, und
blieben vor dem Ältesten
stehen. Auch der Älteste verließ seinen Platz, und
er, der Mann und die Frau
faßten sich an den Händen. »Und wieder ist
der Kreis geschlossen«, sagte das
Oberhaupt des Stammes. Sein Blick, der auf den beiden ruhte, war
liebevoll,
aber auch ernst und streng. Der Kreis zog sich enger zusammen; das Volk
lauschte in aufmerksamem Schweigen.
Haplo stellte fest, daß er sich wohl
fühlte.
Fast sein ganzes Leben hatte er sich leer und einsam gefühlt.
Jetzt empfand er
Wärme, Zusammengehörigkeit. Die Last des
Einzelgängers war ihm von den
Schultern genommen – wenn vielleicht auch nur
vorübergehend. Er merkte
plötzlich, daß er lächelte, daß
er jeden und alles anlächelte.
»Ich gelobe, dich zu beschützen und zu
verteidigen.« Das Paar wiederholte die Gelübde, der
eine unmittelbar hinter dem
anderen, in einem monotonen Kanon. »Mein Leben für
dein Leben. Mein Tod für
dein Leben. Mein Leben für deinen Tod. Mein Tod für
deinen Tod.«
Nachdem die Gelübde gesprochen waren,
verstummten die beiden. Der Älteste nickte; er hatte sich
überzeugt, daß sie
ihre Verpflichtung ernst- nahmen. Er hob ihre Hände, die er in
den seinen
hielt, und legte sie mit den Innenflächen zusammen.
»Der Kreis ist geschlossen«, sagte er und
nahm
seinen Platz zwischen den anderen wieder ein. Das Paar blieb stehen,
als
eigener und doch vom Ganzen umschlossener Kreis. Sie lächelten
sich an. Der
äußere Kreis brach in Jubelgeschrei aus, und man
trennte sich, um letzte Vorbereitungen
für das Fest zu treffen.
Haplo glaubte, endlich die Frage stellen zu
können. Er trat zu seinem Gastgeber, der in der Nähe
des lodernden Feuers
stand.
»Ich bin auf der Suche nach einer Frau mit
kastanienbraunem Haar«, erklärte Haplo.
»Sie ist Läuferin. Ist sie
hiergewesen?«
Der Älteste dachte nach. »Ja, sie war hier.
Vor
nicht mehr als einer Woche.«
Haplo grinste. Es war nicht seine Absicht
gewesen, ihr zu folgen, jedenfalls nicht bewußt, doch
offenbar hatten sie
denselben Pfad gewählt. »Wie hat sie ausgesehen? War
sie wohlauf?«
Der Älteste warf Haplo einen scharfen,
forschenden Blick zu. »Ja, sie war wohlauf. Aber ich habe sie
kaum zu Gesicht
bekommen. Frag Antius, dort drüben. Er hat die Nacht mit ihr
verbracht.«
Die Wärme verwandelte sich in Eiseskälte,
das
Gefühl der Leere kehrte zurück. Haplo drehte sich um
und sah den jungen Mann,
der im Kreis neben ihm gestanden hatte, über den Platz gehen.
»Sie verließ das Lager früh am
Morgen. Ich kann
dir zeigen, welche Richtung sie eingeschlagen hat.«
»Das wird nicht nötig sein. Trotzdem vielen
Dank«, fügte Haplo hinzu, um nicht allzu
unhöflich zu erscheinen. Als er den
Kopf wandte, sah er das junge Mädchen. Sie beobachtete ihn und
errötete bis zu
den Haarwurzeln, als sie merkte, daß ihr Blick erwidert
wurde.
Haplo kehrte zur Hütte des Ältesten
zurück und
packte seine wenigen Habseligkeiten zusammen; Läufer pflegten
mit leichtem
Gepäck zu reisen. Der Älteste, der ihm gefolgt war,
schaute verwundert zu.
»Deine Gastfreundschaft hat mein Leben
gerettet.«
Der Patryn verwendete den gebräuchlichen
Abschiedsgruß. »Bevor ich gehe, will
ich dir sagen, was ich weiß. Es wird berichtet, daß
man den Westpfad zum
einundfünfzigsten Tor nehmen soll. Gerüchte besagen,
daß der Überwinder, dem
als erstem die Flucht aus dem Labyrinth gelang, zurückgekehrt
ist, um mit der
Hilfe
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